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2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege

wie die französischen Freiwilligen von 1792, erschien den erfahrenen Mi-litärs der Zeit insgemein als ein Wagnis, das nur unter dem Druckeder äußersten Not gerechtfertigt sei. Was man beim Feinde in den Rhein-feldzügen, was man von Napoleons junger Mannschaft im Jahre 1813gesehen, ja in manchen Fällen an den eigenen Aufgeboten erlebt hatte, er-mutigte nicht dazu.

In Preußen allein dachten die leitenden Männer anders. Die Land-wehren hatten während des Krieges allmählich eine achtbare Festigkeit ge-wonnen, die sie den Linientruppen ebenbürtig an die Seite stellte, und esblieb ihnen nur das Übel eigen, in kriegerischem Gebrauch schneller alsjene zusammenzuschmelzen. Noch an 36 000 Mann Landwehr hatten inder Völkerschlacht bei Leipzig mitgefochten. Die Mehrzahl davon bliebdann vor den, durch die Franzosen besetzten, deutschen Festungen zurück.Aus den Korps Dorck und Kleist verschwanden sie fast ganz. Bei Laon stritten ihrer nicht mehr als 4000 mit, in der Schlacht von Paris an5000. Nur unter den Bülowschen Truppen, die in Holland mehr geschontund besser gepflegt werden konnten, erhielten sie sich in ansehnlichererStärke. 1815 schlugen sich die alten, bereits erprobten Landwehrregimenterbei Ligny und Belle Alliance ganz vorzüglich und erwiesen sich deneben aus den Kontingenten der neuerworbenen Landesteile zusammen-gestellten Linienregimentern an Tüchtigkeit überlegen. Die Landwehrenaus den Westprovinzen freilich zeigten nach Ligny deutlich die Fehleruneingeübter Aufgebote. Die Zahl der Flüchtigen und Versprengten warbei ihnen besonders groß. Im ganzen hatte sich die Einrichtung Vertrauenerworben. Die aus den drei siegreichen Kriegen heimkehrenden Landwehr-männer besaßen Erfahrung, Mannszucht und Kriegerstolz. Und washätte das Bemängeln und Anzweifeln auch genützt. Nicht weniger als209 ^ Bataillone und 174 Eskadrons hatte Preußen in den Befreiungs-kriegen an Landwehrtruppen aufgebracht. Eine solche Kraftquelle durftejetzt nicht ungenutzt bleiben, wo es sich darum handelte, durch eine neuegroße Anstrengung, trotz der Mißgunst der alten Mächte, auf der einmalerrungenen Höhe zu bleiben. Als Besatzungstruppe war die Landwehrauf alle Fälle brauchbar. Zudem ließ sie sich für die Zukunft wesentlichdadurch verbessern, daß sie nicht mehr aus ungeübten Leuten, sondern zumguten Teil aus Soldaten gebildet wurde, die durch die Schule des Linien-dienstes gegangen waren. Das mußte ihr eine ganz andere Festigkeit alsvordem verleihen.

Dies waren die Gesichtspunkte, von denen aus Boyen sein Wehrgesetzschuf.