Die preußische Wchrverfassung vom 3. September 1814
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zu nahe, hatte zu viel eigene Wucht, um nicht zuletzt auch die Masse sürsich zu gewinnen.
Die Berührung mit den drei anderen Großmächten des Festlandes, dieSchwierigkeit der Landesverteidigung nötigten Preußen zur fortgesetzten,äußersten Anstrengung im Militärstaate; und diese ist ihm zum Segengeworden. —
Das erste Produkt, das daraus hervorging, war die Wehrverfassung vom3. September 1814, das Werk von Scharnhorsts Schüler Boyen, dem derKönig das Kriegsministerium anvertraut hatte. Boyen war entschlossenan den Grundsätzen festzuhalten, die er als Scharnhorsts Vermächtnis an-sah, und die bei dem Aufgebot der Waffenmacht von 1813 vorgewaltethatten. Sie waren volkstümlich, allgemein beliebt und ihre Erhaltungnatürlich. In seiner Fassung beruhte das neue Wehrgesetz auf dem „Ent-wurf zur Ausführung der Konskription in den Preußischen Staaten", der,unter Scharnhorsts Einfluß, am 5. Februar 1810 aufgestellt worden war.
Das Heer sollte eine Schule für das ganze Volk werden. „In einergesetzmäßig geordneten Bewaffnung der Nation liegt die sicherste Bürgschaftfür einen dauernden Frieden."
Die Bedeutung dieses uns heute geläufigen Grundsatzes versteht mannur, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die anderen großen Mächte sichnach dem Kriege beeilten, ihr Heerwesen auf die alten Fundamente zurück-zuführen, die der Welt als erprobt galten. Sie hielten ihre Wehrmachtdauernd unter Waffen und ließen nur aus Ersparnisrücksichten Beurlau-bungen von und i/z der Mannschaften eintreten, die aber als Re-serve jederzeit zum Einrücken bereit sein mußten. So war das Heer ambesten in der Hand der Monarchen und am leichtesten und schnellsten zurVerwendung fertig, wenn die hohe Politik es forderte. Die Konskriptionmit Stellvertretung und langer Dienstzeit blieb das herrschende System.
Preußen als der kleinste und ärmste Großstaat, der doch durch seineLage gezwungen war, eine annährend ebenso zahlreiche Kriegsmacht aufzu-bringen, wie die stärkeren Nachbarn, hätte sich zugrunde gerichtet, wennes gleiche Bahnen verfolgen wollte. Es konnte im Frieden dauernd nureine geringe Truppenstärke unterhalten, gerade ausreichend, um die Schuleund den Kern für das bewaffnete Aufgebot des Volkes zu bilden.
Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Feldarmee zur einen Hälfteaus der Landwehr und zur anderen aus dem stehenden Heere bestehenzu lassen. Hierin lag der charakteristische Unterschied zwischen der preußi-schen Wehrverfassung und der der anderen großen Staaten. Eine Truppesogleich ins Feld zu führen, die erst im Kriegsfalle zusammenberufen wurde,