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I. Die Heere nach dem Befreiungskriege
Polens Preußen und Österreich zugefallenen Beute einen sehr ansehnlichenGebietszuwachs erfahren. Von der neuen Schöpfung Kaiser Alexanders,der das verkleinerte Königreich Polen unter seinem Zepter wieder hatteerstehen lassen, versprach sich der Zar eine völlige Aussöhnung des pol-nischen Volkes mit der russischen Herrschaft und somit eine wesentlicheStärkung des Gesamtreiches.
Frankreich hatte trotz seinen Niederlagen ehedem deutsche Landstrichebehalten und blieb noch um ein geringes größer, als vor der welt-erschütternden Krisis, die es heraufbeschworen hatte.
England heimste, ohne daß es besonders beachtet wurde, den reichstenGewinn ein. Es hatte während der napoleonischen Kriege Frankreichs und Spaniens Flotten vernichten können, und damit seine alleinige See-herrschaft begründet. Es hatte aber auch mächtige Kolonialgebiete demeigenen Reiche einverleibt, die es nicht nur Frankreich , sondern auch dendiesem zeitweise durch Zwang einverleibten Ländern, wie den Niederlan-den, abnahm. In Indien, der großen Südhalbinsel Asiens , hatte es sichschon festgesetzt; jetzt kam die Kapkolonie hinzu. Es fehlte zu einem Sy-stem der Beherrschung der südlichen Erdhalbkugel nur noch die Besetzungdes südlichen Teils von Amerika . Tatsächlich hatten englische Abenteurerauch versucht, den Ausgang des La Plata -Stromes in ihre Gewalt zubringen, und sich der spanischen Kolonialstadt Buenos-Aires bemächtigt.Allein sie wurden von dort durch einen energischen Gegenangriff baldwieder vertrieben. Das war der einzige Mißerfolg. Auch die Schas-sung des Königreiches der Niederlande aus den ehemals österreichischenBesitzungen in Belgien und den Generalstaaten schlug keineswegs zu Deutsch-lands Gunsten aus. Das neue Königreich hatte bereits bei seinem Ent-stehen Deutschland die Rheinmündungen verschlossen und hielt die Sperrebis zur Rheinschiffahrtsakte vom 31. März 1831 aufrecht.
Preußen war das Stiefkind des Glückes geblieben. Und doch sollte dasWerk seiner Neider am Ende zu seinem Heil ausschlagen. Die verzerrteFührung seiner Grenzen ließ auch den einfachsten Sinn begreifen, daßdiese so nicht bleiben konnten. Durch die Natur der Sache entstand dasStreben nach ihrer besseren Gestaltung. Die beiden Landesteile verlangtendringend ihre Vereinigung, die gleichbedeutend werden mußte mit der Be-herrschung des ganzen Norddeutschlands. Dieser neuen deutschen Aufgabeaber konnte sich Preußen um so eher mit voller Kraft zuwenden, als derStaat durch die Verluste im Osten von seinem halbsarmatischen Charakterbefreit worden war. Freilich ist diese Aufgabe noch lange Zeit nur vonwenigen ausgezeichneten Geistern im Volke verstanden worden; aber sie lag