Druckschrift 
2 (1914) Im Zeitalter Kaiser Wilhelms des Siegreichen
Entstehung
Seite
423
Einzelbild herunterladen
 
  

Bedrohliche Aussichten für das 3. u. 10. Korps

423

er ebensoviel Vertrauen als zum eigenen hegte. Ein solcher war vorhan-den, der Major Graf Häseler , der spätere Feldmarschall. Nur so wäre zuerkennen gewesen, daß das Unwahrscheinliche Ereignis geworden sei. Frei-lich soll der Feldherr sein Hauptquartier inmitten der Armee nicht ohneNot verlassen. Aber auch diese Regel hat ihre Ausnahmen. In kritischenAugenblicken gehört er an den Punkt, von dem aus die Entscheidung sicham schnellsten treffen läßt.

Wie die Dinge standen, kamen das 3. und 10. Armeekorps am 16. Angustin eine bedrohliche Lage. Sie befanden sich der ganzen französischen Armeegegenüber. Freilich traf mittags das 12. Korps bei Pont-ä-Mousson ein,aber es konnte erst am 17. August westlich von Metz zur Stelle sein,die übrigen, die Garde von Dieulourd und das 4. Korps von Marbacheher, nicht früher. Von jenseits der Mosel war vom 9. und 8. Korpsstarke Unterstützung nicht mit Sicherheit zu erwarten. Große Übermachtauf Feindesseite stand unzweifelhaft in Aussicht, wenn es zum Kampfekam.

Lebhaft vorwärts drängend, hatte General v. Alvensleben mit dem3. Armeekorps noch am Abend des IS. August Noveant an der Mosel erreicht, die dortige Brücke unversehrt gefunden und auf ihr sowie einemschnell hergestellten Laufsteg den Fluß überschritten. Nur die Artilleriemachte den Umweg über Pont-ä-Monsson. Nach kurzer Nachtruhe amlinken Ufer brach er wieder auf, um mit seiner 5. Division über Gorze,mit der 6. über Onville, durch waldige Seitentäler emporsteigend, dieHöhen des linken Ufers zu erreichen.

Inzwischen war auf der Hochfläche die Kavallerie erneut vorgegangen.Sie entdeckte feindliche Reiterlager bei Vionville . Schnell zog sie ihreArtillerie vor und überfiel mit Feuer bald nach 9 Uhr das unerwartetsich darbietende Ziel, die Kavalleriebrigade Murat, die beim Kochen undAbfüttern der Pferde beschäftigt war. In wilder Hast jagte sie durchdie dahinterliegende Infanterie hindurch. Diese fand sich indessen schnellzurecht und trat in anerkennenswerter Ordnung unters Gewehr. Über-legene Artillerie wurde vorgezogen, um das Feuer der preußischen Batterienzu erwidern, die vorerst ihren Zweck erreicht hatten und in den nächstenDeckungen verschwanden. Bald sollte die Berührung zwischen den beidenHeeren sich ernsthafter gestalten und die blutigste Schlacht des Krieges,dieHeldenschlacht" der preußischen Armee von 1870, beginnen. Sie stelltedie schwerste Probe an deren kriegerische Tugend, bezeichnete aber zugleichden entscheidenden Wendepunkt im Kampfe gegen das Kaiserreich.