Nitalismus und Animismus.
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Therapie zum tödlicheil Ende geführt und zwar mit einer Konse-quenz, daß man den Mut der Ärzte ebenso bewundert, wie manihre Verblendung nicht begreift.
Zur dritten Gruppe, die wir oben genannt haben, übergehend,kommen wir auf den Vitalismus, diejenige Methode, welche denin Wallers Lehren herrschenden Dualismus überbrücken sollte und inFrankreich (Montpellier ) eine sichere Heimstätte fand. Die Haupt-vertreter dieser Richtung waren Theophile de Borden (1722 bis1776), Paul Josef Barthez (1734—1806), Philippe Piuel(1755—1826) uud Marie Francs Xavier Bichat (1771—1802).Ein Vorläufer des VitalismuS ist noch Fran^ois de Sau vages(1706—1767), welcher das Mittelglied zwischen diesem uud demStahl'fchen Animismus geschaffen hat. —
Der Animismus ist eine etwas dunkle Lehre, welche alsoberstes Prinzip die Seele (anima) hinstellt. Dieselbe ist einmaletwas Unsterbliches, das den Körper nach eigenen logischen Über-legungen oder unbewußten Instinkten leitet, ein andermal alsanima veAötg.t,ivH nichts anderes als die „natura" der Alten. DieEntstehung der anirag, in dem neugeborenen Körper wird etwasgewaltsam als die Abzweigung eines Teiles der mütterlichen aniirraaufgefaßt. Die Seele hat die physiologische Aufgabe, deu Körpervor äußereu Schädlichkeiten zn bewahren; da sie aber keinen Ein-fluß auf die Zusammensetzung des Körpers hat, so erfolgt unterungünstigen Umständen dessen Anflösnng. Die Vermittlungsorganezwischen Körper uud Seele sind die Nerven, deren raschere oderlangsamere Schwingungen den „Tonus" gestalten. Neben demTonus wirkt der Kreislauf des Blutes, das im ganzen Körper die„tierische Wärme" verbreitet. — Wenn hier nur die Gruudzügeder Stahl'schen Lehre skizziert sind, so geschieht das deshalb, weiles schwer ist, sich in den Geist der damaligen Zeit hineinzudenken,ohne allenthalben für das ganze System bedenkliche und dasselbeerschütternde Frageu stellen zn müssen. Sind infolge der starrenFormeln auch die Heilmittel sehr gering (sie beschränken sich aufAderlaß, Eisenpräparate, Amara und Abführmittel), so ist Stahlmit seiner symptomatischen Behandlung der Geisteskrankheiten dochseiner Zeit vorausgeeilt.