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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Mtalismus in Frankreich .

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vermittelnden Weg. Lange Jahre hielt die Lehre Barthez',die von Pinel und Bichat weiter ausgebaut werden sollte, denvon auswärts andrängenden Theorien stand nnd verschaffte dadurchder Montpellier -Schnle die hohe Achtung der Zeitgenossen.

Pinel, der sich auch auf anderem Gebiete (der Irren Heil-kunde) unsterbliche Verdienste errungen hat, gilt als Mittelgliedzwischen Barthez und Bichat . Durch seine analytische Methodestellte er die anatomische Forschung in den Vordergrund, die vonBichat so glücklich iuanguriert wurde, daß die Wissenschaft noch vielesvon ihm Hütte erwarten können, wenn nicht ein vorzeitiger Tod seinkühnes Vorwärtsschreiten gehemmt hätte. Pinel legt das Haupt-gewicht der ärztlichen Beobachtung ans die gewissenhafte Rubri-zierung und Würdigung der einzelnen Krankheitserscheinnngen, diemir durch lokalisierte Veränderungen zu erklären siud. Diese auf-zufinden, d. h. am Seziertisch nachzuweisen, war die Aufgabe, diesich Bichat gestellt hatte. Er kanute keine Systeme und keiueTheorien; nur was er sehen konnte, galt ihm als wahr. Fußendaus Pinels Axiom von der Verschiedenartigkeit der einzelnenGewebe, arbeitete er mit dem Messer und studierte an der Leicheoder durch das Tierexperiment uud ist so der Vorläufer derheutigen pathologischen Anatomie. Dieser Ruhm wird auchdadurch nicht geschmälert, daß viele seiner Ansichten schief sinder mißachtete, wie viele seiner Zeitgenossen, das Mikroskop abertrotz alledem ist seine Gewebelehre ein Werk voller scharfsinnigerBeobachtungen uud reich an glücklichen Ausblicken in die Zukunft.Mau muß nur bei der Würdigung seiuer Verdienste daran denken,daß er an der Schwelle des 30. Lebensjahres schon das Messeraus der Hand legte, und muß sich vorstellen, gegen welche Zeit-anschauungen er anzukämpfen hatte.

Wir haben vorhin schon auf eine unsterbliche That Pinelshinweisen können. Dieselbe beruht darin, daß er den Geistes-kranken die Ketten abnahm nnd, unbeirrt von dem wüsten Ge-schrei der Meuge, denselben mit Aufopferung seines eigenen Lebenseine menschenwürdigere Existenz verschaffte. Er sorgte als Arzt ander Salpetriere dafür, daß die Geisteskranken, die bis dahin mit denVerbrechern zusammen eingesperrt worden waren, isoliert uud sach-