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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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I, Vorläufer des 19. Jahrhunderts.

gemäßer Behandlung überwiesen wurden. Dies geschah im Jahre1793. Ließ er die Kranken auch nur tags über in den Höfenspazieren gehen und nachts frei in der Zelle, so war schon damit eingroßer Fortschritt gemacht. Das dankbare Vaterland setzte ihm imJahre 1885 auf dem.freien Platze vor der Salpetriere ein Denk-mal, das in sinniger Weise seine That verherrlicht: eine Kranke,deren Ketten zerbrochen am Boden liegen, reicht ihm Blumen.

Auch in Deutschland fand der Bitalismns Eingang und wurdehier durch Joh. Friedr. Blumenbach (17S21840), Joh. Chr.Reil (17591813) und Chr. Wilh. Hnfeland (17621836),den wir später uoch näher kennen lernen werden, vertreten.Blumenbach gehört zu den größten Naturforschern und wird alsder Begründer der Anthropologie angesehen. Er war ein all-seitig gebildeter Mann mit durchdringendem Verstände, welcher inder Medizin sowohl, wie in der Zoologie Bedeutendes geleistet hat.Einer der eifrigsten Vitalisteu, gab er der Lebenskraft den NamenBildungstrieb" (riisus tormativus). Was er damit meinte, istaus den Worten seines Biographen Marx zu sehen:Der nisustormativus ist ein Trieb, der sich von aller bloß mechanischwirkenden Kraft dadurch auszeichnet, daß er nach der endlosmannigfach verschiedenen Bestimmuug der organisierten Körper undihrer Teile, die vielartig organisierbaren Zeugungsstoffe auf ebensomannigfaltige, aber zweckmäßig modifizierte Weise in bestimmte Ge-stalten zu formieren vermag und so zuerst bei der Empfängnisdie allmähliche Ausbildung, dann aber auch die lebenswierige Er-haltung dieser organischen Bildungen durch die Eruähruug, undselbst wenn dieselbe durch Zerfall gelitten haben sollte, soviel wiemöglich die Wiederersetznng derselben durch die Reproduktion be-wirkt wird." Er war auch der erste, welcher Vorlesungen übervergleichende Anatomie hielt, und ihm verdanken wir die Aus-stellung der fünf Menschenrassen.

Während er anfänglich die Rassen nur durch die Hautfarbeunterschied, suchte er später die Unterschiede anderweitig zu begründenund legte das Fnndament zur ethnographischen Schädellehre.Sein Handbuch der Naturgeschichte (1779) lehnt sich im großenGanzen an Linne an. Erst 1805 erschien sein erstesLehrbuch