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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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II. Anatomie und Entwickelungsgeschichte.

gebildete, das ganze künftige Lebewesen enthaltende Keim im Eivder im Spermafaden enthalten sei; so standen sich die Ovulisteuund die Animalkulisten gegenüber, von denen die ersteren behaupteten,daß der unbesrnchtete Frosch schon ein ausgebildeter Frosch sei, derin seinem Wachstum durch den Samen nur augeregt würde, wo-gegen die Animalkulisten am Samensaden bei genügender PhantasieKopf, Arme und Beiue sahen und das Ei nnr als einen geeignetenNährboden betrachteten. In der Präsormatiouslehre ging man nocheinen Schritt weiter und nahm au, daß in einem Keim nicht nurein spateres Geschöpf, sondern die Keime für eine Reihe vonspäteren Geschöpfen enthalten sei. So kam man aus dieEin-schachtelungslehre", auf die Lehre von deneingewickeltenKeimen". Man berechnete sogar, wie viele Menschenkeime im Eier-stock der Eva enthalten waren und kam zu der ungeheuren Zahlvon 200000 Millionen. Daß bei diesen Berechnungen die kühldenkende Wissenschaft nicht mitsprach, liegt auf der Haud. Anderer-seits hatte aber auch die Lehre von der Epigenesis ihre Fehler,was Wolff selbst einsah, denn auch angenommen, daß sich dernicht organisierte Stoff in wenigen Tagen zu einem lebensfähigenOrganismus umgestalten kann, so fehlt doch noch die Kenntnis vonder Naturkraft, die dieses zustande bringt. Dieses war der Grund,daß Blumeubach seine Zuflucht zu eiuem eigenartigen Bildungs-trieb, dem uisas korroativus nahm, womit aber auch nicht vielmehr gethan ist, als daß ein Wort für eine unbekannte Kraft ge-funden ist.

Erst als die Zellenlehre sich vervollkommnet hatte, als dieBefrnchtungsvvrgänge, die wiederholte Teilung der befruchtetenEizelle, die Teiluug der Kerne, die Verschmelzung von Eckern undSamenkorn unter dem Mikroskope deutlich sichtbar geworden waren,konnte man daran gehen, eine neue Theorie in die Entwickelungs-geschichte einzuführen, die mit der Präformation und mit der Epi-genesis gewissermaßen als zwei gleichberechtigten Thatsachen rechnet.Die neue Theorie geht davon aus, daß die Geschlechtszellen auSkleinsten Stoffteilchen zusammengesetzt sind, welche die für unsereWahrnehmung uusichtbaren Anlagen für alle die zahlreichen Eigen-schaften sind, welche während der Entwickelung eines Organismus