Virchow.
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Geltung, als es im gesunden Leben geschieht. Auch tritt wederin der Krankheit, noch in der Heilnng eine sonst nicht vorhandeneoder sonst zurückgedräugte Kraft hervor; dieselbe Substanz, welcheTrägerin des Lebens ist, ist anch Trägerin der Krankheit. Jedespiritualistische Anwandlung ist ausgeschlossen. Nichts hindert, aucheine solche Richtuug als Vitalismus zu bezeichnen, nur soll mannicht vergessen, daß eine besondere Lebenskraft sich nicht ansfindenläßt, und daß VitaliSmuS nicht notwendig ein spiritualistisches oderauch nur ein dynamisches System bedeutet. Aber ebenso muß mansich eriuueru, das; das Lebeu vou deu Vorgängen in der übrigenWelt verschieden ist und daß es sich nicht einfach auf physikalischeoder chemische Kräfte reduzieren läßt. Gleichwie keine andere Eigen-schaft diese Besonderheit des Lebendigen so klar zur Erscheinungbringt, als die Erblichkeit in der Fortpflanzung des Lebens voneinem Wesen auf das andere, so ist auch der Sieg der Cellular-patholvgie am meisten gesichert worden durch den Nachweis derErblichkeit in der Geschichte der Neubildungen. Zeitdem es deutlichist, daß keine Zelle entsteht, ohne eine Mutter zu haben, die eineZelle war, seitdem ist der Satz: omnis eeUulg, s cellulü. die an-erkannte Signatur der biologischen Cellularpathologie geworden.Schon als Virchow 1849 nach Würzburg ging, hatte er die Grund-züge seiuer Cellularpathologie im Kopse fertig, aber erst die Unter-suchungen über das Bindegewebe sollten seine Ansichten klären undlegten ihm nahe, daß der Körper aus Zellenterritorien besteht, inmelchen er die möglichen Krankheitsherde erkannte.
Die meisten Krankheiten sind zusammengesetze Prozesse, bei denenmehrere oder viele Zellentcrritorien befallen sind; man muß daherherauszubringen versuchen, welche Gruppen ergriffen sind, nnd diesgelingt uicht immer dem Anatomen allein, sondern die klinische Unter-suchung und das Experiment müssen herangezogen werden. Aufdiesem Boden arbeiteten die Schüler Virchows weiter, nnd nur dieBakteriologie ist manchmal in Gegensatz zu dem Meister getretenund hat sich unabhängig von ihm entwickelt. Sie umfaßt im All-gemeinen das, was Virchow unter dem Namen der mykvtischenKrankheiten vereinigt hat. Alle diese Krankheiten gleichen sich darin,daß sie durch das Eindringen parasitärer Mikroorganismen hervor-