Birchow,
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tracht bleiben, und daß die faulige Infektion nichts anderes sei, alsein abweichender Znstand des Blutes. „Das Blut enthält ebennur die Ursache für die Störung der Gewebe, aber die Krankheitist nicht im Blute, sondern sie ist die Wirkung der Ursache aufdie Zellen." Aufgabe der Wissenschaft ist es, nachzuweisen, ob diedurch das Serum im Körper erzeugten nenen Stoffe ohne Mit-wirkung der Zellen entstanden sind, denn davon hängt ab, ob dieGrundlage der Virchowschen Cellularpathologie bestehen bleibenkann oder geändert werden muß.
Jedenfalls danken wir der Serumtherapie die genauere Kennt-nis der Gewebssäfte, zum Beispiel des Schilddrüsensaftes, mitihren mächtigen Einwirkungen anf den Organismus, aber auchhier dürfeu wir nicht die primäre Wirkung auf die Zellen undZellenterritorien außer acht lassen. — Aus all dem zuletzt Ge-sagten, welches sich an die eigenen Ansichten Virchows anschließt,geht hervor, daß er in der Bakteriologie eine Gegnerin seinerCellularpathologie sieht und die von ihm aufgestellte Lehre gegenden Eindringling zu verteidigen sncht. Was Virchow erreicht hat,ist mehr, als auch ein anspruchsvoller Mann der Wissenschaft ver-langen darf; während zur Mitte des Jahrhunderts die patho-logische Anatomie nur in einzelnen Hochschulen und zwar in denbescheidensten Räumen gelehrt wurde, hat man ihr jetzt allenthalbenmächtige Paläste errichtet, mit allen Hilfsmitteln der Zeit undallsgestattet mit prächtigeil Sammlungen. Fast überall wirkeilSchüler Virchows oder doch wenigstens solche Männer, welche inseiner Lehre groß gewordeil sind. Auch im Auslande hat mannicht gezaudert, der aufwärts strebenden Pathologie, welcher nuildurch die Bakteriologie ein großer Teil ihrer Bedeutung wiedergenommeil werden soll, würdige Heimstätten zu errichten. Es scheint,als ob die Bakterieukunde zu einer Zeit großgewachsen ist, zuwelcher die pathologische Anatomie einen gewissen Abschluß ge-sunden hatte, zu welcher sie sich einstweilen nicht weiter entwickelte;so kam es, daß die sähigsten Köpse, die fleißigsten Forscher sichder neuen Disciplin zuwandten, und dadurch die Pathologie selbstin den Hintergrund gerückt wurde. Da aber auch die Bakterio-logie ihre Wurzeln in der pathologischen Anatomie hat und ohne