VoraMiseptischc Zeit.
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und packte sie in die unreinen Betten. Wochenlang blieb die dreckigeWäsche liegen, man wusch so schlecht, daß die reine Wäsche vonder gebrauchten kaum zu unterscheiden war. Bäder fehlten. Fastunter allen Betten standen die Nachttöpfe, welche ebenso furchtbarstanken, als die hölzernen Eimer, die für den Koth bestimmt waren.In den Strohsäcken hauste das Ungeziefer, und die vom Schweißund Urin durchfeuchteten Federkissen verpesteten die Umgebung.Die Bettstellen, die man anzustreicheu nicht für nötig hielt, wurdenlocker und fielen auseinander; in ihnen war eine Brutstätte derWanzen. Wohin mau sah, wohin man faßte, wohin man trat,überall ein unbeschreiblicher Schmutz. Dabei meist alle Fensterdicht verschlossen aus Furcht vor Zug und Erkältung."
Dazu kam noch, daß das Spital überfüllt war. Die Folgenblieben uicht aus, denn eine abnorm hohe Sterblichkeit stellte sichein und selbst leicht Erkrankte erlagen, so daß man vor den kleinstenOperationen bangte. — Wenn möglich noch schlimmer waren dieZustände im Nütel visu, das die reinste Mördergrube war. Dortlagen oft vier Kranke in einem Bette; die Leichensäle mündetendirekt in die Krankensäle, so daß auch in diesen ein penetranterLeichengeruch herrschte. Die Verwundeten (200—300) waren ineinem einzigen Saale untergebracht. Über der Leicheustube warder Operationssaal, der so wenig Licht hatte, daß man auch beiTage Kerzenlicht nötig hatte. Die Abfuhr der Fäkalien war eineso ungeschickte, daß die Mauern zerfressen wurden und im ganzenHause ein unerträglicher Geruch herrschte. Diesen kaum glaublichenZuständen gegenüber war die Gründung des allgemeinen Kranken-hauses iu Wien ein ganz unerwarteter Fortschritt. Kaiser Josef II.,der übrigens auch der Schöpfer des Prager Spitales ist, hat sichdamit ein unvergängliches Denkmal gesetzt. —
Es wurde in der damaligen Zeit auffallend wenig operiert.Im Jahre 1801 wurden von 523 chirurgischen Kranken in derCharite nur 30, 1803 von 798 Fällen mir 23 operiert. DerGrnnd für diese befremdende Messerschen mag in der hohen Sterb-lichkeit (15 Prozent) gelegen sein. Ein Grundfehler der damaligenKrankenhäuser lag in der Centralisation , in der schlechten Ventila-tion, der ungeeigneten Abfuhr der Fäkalien und dem Mangel an
Müller, Organ. Naturw. 17