Druckschrift 
Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
Seite
268
Einzelbild herunterladen
 
  

268 VII- Chirurgie, Augen-, Ohren-, Zahnheilkunde.

zu dessen Schülern Textor, Chelius und I. F. Dieffenbach (17921847) gehörten, von denen Textor in Würzburg , Cheliusin Heidelberg und Dieffenbach in Berlin das Fach der Chirurgievertraten. Schon als junger Arzt beschäftigte sich letzterer mitVorliebe mit Transplantationsversuchen. Er erfand die um-schlungene Naht und brachte zahllose Neuerungen auf dem Gebieteder Plastischen Chirurgie . Später schenkte er sein Interesse densubkutanen Operationen, die jedoch bald ausarten sollten, und denSchieloperationen. Er starb in seiner Klinik, als er sich eben an-schickte, eine Operation zu machen. Unter seinen Schülern ragtnamentlich Middeldorpf hervor, dessen Name mit der Galvano-kaustik verknüpft ist. Die Würzburger (Siebold)-Schule brachteeinen K. M. Langenbeck hervor (der die Totalexstirpation desUterus vornahm), F. C. Hesselbach in Würzburg , M. Jaegerin Erlangen und I. C. Heine, den ersten systematischen Ortho-päden, dem die dankbare Musenstadt am Maine in ihrem Friedhofein Denkmal gesetzt hat. Unter den Göttinger Chirurgen endlichist L. Stromeyer zu nennen (18041876). Er hatte sich schonvor Dieffenbach mit Myo- und Tenotomie eingehend beschäftigt,lehrte in Erlangen, München , Jena nnd Kiel und starb als General-arzt in Hannover . Ihm verdanken wir die operative Orthopädieund die Einführung der konservativen Chirurgie. Seine Verdiensteals Kriegschirurg hat Heinrich Rohlfs in seinem Buche:Diechirurgischen Klassiker Deutschlands " in liebevoller Weisegewürdigt.

Nun ist es aber an der Zeit, der schon genannten wichtigstenEntdeckungen des 19. Jahrhunderts auf chirurgischem Gebiete zugedenken: der Narkose und der Antisepsis. Man muß sich iudie vergangenen Zeiten vertiefen und in alten Büchern lesen, mitwelchem Raffinement der Kranke vor der Operation an Händennnd Füßen gebunden wurde, wie mit keinem Worte der entsetzlichenSchmerzen gedacht wird, welche jede halbwegs größere Operationmit sich brachte, um die Segnungen der allgemeinen und örtlichenAnästhesie zu verstehen. Heutzutage will sich.kaum Jemand einenZahn ziehen lassen, ohne daß er chlorophormiert wird, damalswurden Steinschnitte, Brnchschnitte, Laparatomien bei vollem Be-