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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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452 VIII. Innere Medizin und deren Hilfswissenschaften.

macht, um im entscheidenden Augenblicke einzugreifen, aufgegebenund hat nun für alle Beschwerden specifisch wirkende Heilmittel,deren Zahl ins Ungeheure zu wachsen droht. Wenn daherZiemssen in seinem Rückblick auf dieWissenschaft undPraxis in den letzten 5 0 Jahren" (1890) meint:Geradebei den Ärzten in den kleineren Städten und auf dem Laudewird von den aktiven Arzneistoffen, besonders auch von den starkenAlkalviden viel zu viel Gebranch gemacht," so treiben wir auch,nach der Befürchtung anderer, Zuständen zu, wie sie am Anfangedes 19. Jahrhunderts geherrscht hatten, nicht zum Vorteile derWissenschaft. Daß sich unter den neuentdeckten Arzneimitteln vielefinden, welche nur ein Eintagsleben führen, weiß der beschäftigteArzt, der darum auch allen neuen Mitteln ein großes Mißtrauenentgegenbringt. Aber andererseits darf nicht vergessen werden, daßwir im verflossenen Jahrhuudert von der chemischen ForschungMittel erhalten haben, die wir nicht mehr missen möchten. VomChinin konnten wir früher schon sprechen, 1805 erfolgte die Ent-deckung des Morphiums, 1818 die des Strychnins , 1833 diedes Atropins . Das Jahr 1859 brachte das Kokain (Niemann),1869 das Chloralhydrat (Liebreich), 1874 die Salicylsäure(Kolbe), 1884 das Antipyrin (Knorr), 1886 das Sulfonal(Baumann). Eine von Charles Gabriel Pravaz (17911853)erfundene Spritze, mit der man nach seiner Angabe tei-rum LssHui-clllorktum in Anenrysmensäcke einführen und damit eine Gerinnungzn stände bringen sollte, wurde zwar sür diesen Zweck wenig gebraucht,hat aber in anderer Weise sich die innere Medizin erobert, dennauf ihr baut sich das Jnjektionsverfahren ans oder die Methode,dem Körper Arzneimittel subkutan einzuverleiben. Am meistengebrauchte man die Pravaz-Spritze, die ja auch, wie der Chirurgweiß, anderen Zwecken dient, zu Morphiuminjektionen, mit denenes uns gelingt, die schlimmsten Schmerzanfälle in kürzester Zeit zubeseitigen, die aber auch die Ursache des Morphinismus sind, dennur bei den Nervenkrankheiten noch näher kennen lernen werden.Unter denjenigen Mitteln, welchen man anfänglich ein unver-dientes Vertrauen entgegenbrachte, ist anch die Condurangorinde zuueunen; man glaubte in derselben ein Mittel gegen den Magen-