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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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468 IX. Geburtshilfe, Frauen- und Kinderkrankheiten.

Zustünde oder Ereignisse eintretet?, welche rechtzeitig zu erkennen,zu verhüten oder zu überwinden eben die Aufgabe des Geburts-helfers sein muß, dann tritt die Kunst in ihr volles Recht. Modernist nur derjenige Geburtshelfer, welcher so passiv wie möglich ist." Neben Boer wirkte gleichzeitig Wilhelm Joseph Schmitt(17601827), welcher, aus der Schule des Würzburgers Sieboldstammend, ein vielseitig gebildeter Mann war und sich auch ausdem Gebiete der gerichtlichen Medizin und Chirurgie praktisch undlitterarisch thätig zeigte. Ihm verdanken wir eine Vereinfachungin der Lage bei deu Zangenentbindungen und die Abschaffung allerkünstlichen Stühle nnd Betten, sowie ausgezeichnete Beobachtungenüber den Mechanismus der Geburt. Er beleuchtete die Kopfver-letzungen neugeborener Kinder vom forensen Standpunkt und stellteeine Meuge von Versuchen über die Ploucquetsche oder hydro-statische Lungenprobe an. Justus Heinrich Wigand (17691817), der in Hamburg sich großer Praxis erfreute, war anfänglichnoch ganz im Banne der Operationsluft der Franzosen , kam aberdurch eingehende Beobachtungen allmählich und immer mehr davonab und wurde, ohue der Wiener Schule angehört zu habeu, eineisriger Lobredner derselben. Er wies in seinen Schristen, worunternur erwähnt sei:Die Geburt des Menschen in physio-logisch-diätetischer und pathologisch-therapeutischer Hin-sicht" darauf hin, daß der Geburtshelfer nur dann in seinemFache Ersprießliches leisten kann, wenn er den Znsammenhang mitder übrigen Medizin nicht verloren hat. Wir gebrauchen antbesten seine eigenen Worte:Ungleich mehr Knust und Geschick-lichkeit gehört dazu, durch Anwendung von zweckmäßigen Arzneien,Lagen und leichten, ganz schmerzlosen Manipulationen, entwedereitler Gewaltoperativu gänzlich vorzubeugen oder dieselbe, wo sieendlich doch vielleicht unumgänglich nötig ist, dergestalt vorzubereiten,daß sie mit größerer Leichtigkeit, ohne viele Schmerzen für Mutterund Kind vollendet werden kann, als im Schweiße seines Angesichtssich stundenlang mit dem Uterus herumzuschlagen uud densebendann endlich, oft nicht ohne den größteil Nachteil sür Mutter undKind, zu besiegen."

Es ist nach dem Gesagteil von großem Interesse, einen Mann