Druckschrift 
Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
Seite
469
Einzelbild herunterladen
 
  

A. E. v, Siebold.

469

kennen zu lernen, der an der Schwelle des Jahrhunderts lebendund wirkend die Lehren beider Schulen an der Quelle studierthatte und nun zu seheu, welcheu Standpunkt er einzunehmenfür berechtigt gehalten hat. Dieser Mann ist Adam Elias vonSiebold (17751825), welcher, der berühmten Würzburger Ge-lehrtenfamilie entstammend, bei seinem Vater, Carl Caspar , demprinoe^s inter (Asrwanos ellirurAus, zuerst Chirurgie und Auatomiestudierte, dann durch Stark der Geburtshilfe zugeführt wurde.Er hörte in Göttingen neben anderen Koryphäen besonders Osiander ,ging dann zu dem ähnlich denkenden Stein, und endlich zu Bosr.So vorbereitet, baute er die neue Gebärklinik in Würzburg , welche1805 eröffnet wurde. 1816 uach Berlin berufen, konnte er dortnochmals eine neue Klinik gründen, mit welcher er eine geburts-hilfliche und gynäkologische Poliklinik vereinigte. Mit großerVorliebe hat sein Sohn Ednard Caspar I. v. Siebold (18011861), der in Göttingen lehrte, und dem wir außer einemLehr-buch der Geburtshilfe" auch einLehrbuch der gericht-lichen Medizin" und die ausgezeichneteGeschichte der Ge-burtshilfe" verdanken, das Wirken des bis zum frühzeitigenEnde unermüdlich strebenden Mannes beschrieben. Hatte er aufder einen Seite die übertriebene Operationslust kennen gelernt, sowurde er in Wien dem Nihilismus gegenübergestellt und so richtetesich sein Streben dahin, weder dem einen noch dem anderen Systemzu huldigen und, was beide Gutes und Nützliches in ihren Lehrenbesaßen, zu einem Ganzen zu vereinigen. Er verachtete die Opera-tionen nicht und verlangte, daß seine Schüler die größtmöglicheFertigkeit sich aneigneten, aber er schätzte auch die Kraft der Naturiu ihrem vollen Werte und unterstützte dieselbe nach Maßgabedes Falles durch die geeigneten Arzneimittel, ohne aber in denFehler zu verfallen, denselben die große Bedeutung zuzumessen,wie mau dies teilweise in England gethan hatte. Es bleibt ihmunvergessen, daß er sich scheute, um den Schülern Gelegenheit zumAulegen der Zange zu geben, die Gebärenden zu Phautomeu herab-zuwürdigen, denn er sagte sich, daß der Schüler dann in der Praxisvoreilig zu ernsten Mitteln greift, die er unter Umständen undbei ruhigem Zuwarteu vermeiden kann.