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IX. Geburtshilfe, Frauen- und Kinderkrankheiten.
ruhige Haltung uud Geduld, Schonung des weiblichen Zartgefühles,Verschwiegenheit und Uneigennützigkeit, gute Einbildungskraft,schnelle Beurteiluugskraft, Entschlossenheit und Vorsicht; ferner seiuötig ein gesunder, in leiblichen Übungen erfahrener Körper, derdie gewohnten Bedürfnisse (Schlas, Nahrung) ohne Schaden einigeZeit entbehren kann; kräftige aber schlanke Arme, biegsame Händemit schlanken Fingern. —Ludwig Friedrich Froriep (1779—1847)hat ein „Theoretisch-Praktisches Handbuch der Geburts-hilfe zum Gebrauch bei akademischen Vorlesungen undsür angehende Geburtshelfer" (1802) herausgegeben, welcheszu seiner Zeit sehr großen Beifall fand, obwohl es keine selbständigenForschungen enthält, sondern mehr eine geschickte Kompilation war.Froriep war ein Schüler Bosrs und lehrte in Jena. Spätergiug er zur Anatomie und Chirurgie über, die er in Tübingeulehrte. Er starb als Chef des Weimarischen Medizinalwesens undhatte die Freude, sein Handbuch in neunter Auflage zu sehen, ob-wohl er sich längst von der praktischen Geburtshilfe zurückgezogenhatte. — Johann Peter Weidmann (1751—1819) lehrte inMainz Geburtshilfe und schrieb 1808 einen „Entwurf der Ge-burtshilfe", ein Buch, welches trotz des bescheidenen Titels:„Entwurf" zu den besten Lehrbüchern der damaligen Zeit gehörteund auf einer Praxis von 20 Jahren aufgebaut ist. Er war einausgesprochener Gegner der sogenannten Hebammenbücher undstellte den Satz auf, daß man den weiblichen Gehilfinnen, die besserdnrch mäuuliche Assistenz ersetzt würden, den vollen Unterricht zuteil werden lassen müsse, wie den Studeuteu, damit sie die Ge-fahren der einzelnen Operationen kennen und würdigen lernen.
Die Operationslust des älteren Stein wurde durch seineuNeffen Georg Wilhelm Stein (1773—1870), der nicht nur dasLehrbuch seines Onkels neu herausgab, sondern auch mit vielemEifer uud Geschick dessen Anschauungen und die Levrets ver-teidigte, nicht vermindert; trotz vieler anerkannt guter Arbeiten(unter anderen „Lehre der Geburtshilfe als ueue Grund-lage des Faches, insonderheit als Leitfaden bei Ver-letzung? u" 1825), wurde ihm durch äußere Verhältnisse seineakademische Thätigkeit verleidet, so daß er ein Menschenalter lang,