Froriep, — Stein. — Joerg.
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beginnend im schönsten Mannesalter, ein Otium oum äiAnitÄtsgenoß. Seine Schriften haben wegen vieler Unklarheiten wenigEingang gefunden, sind aber für den genauen Kenner der Geburts-hilfe eine Fundgrube guter Beobachtung. — Johann ChristianGottsried Joerg (1779—1856) war einer der erfolgreichsten Ver-treter der Wiener Schule uud übte durch seine Lehrthätigkeit inLeipzig einen großen, segensreichen Einfluß aus. Er erkanntefrühzeitig, daß der Geburtshelfer nur dann das Höchste in seinen:Fache leisten kann, wenn er auch die Frauenkrankheiten in vollemMaße beherrscht :md so erklärt es sich, daß er seinem Handbuchder Geburtshilfe ein Werk über die Krankheiten des Weibes nebsteiner Einleitung in die Physiologie nnd Psychologie des weiblichenOrganismus solgen ließ und später die beiden Werke zu eineineinzigen verschmolz, welches (1820) unter dem Titel: „Über dasphysiologische und pathologische Leben des Weibes" er-schien. Daß er mit der genannten Zusammenfassung recht hatte, be-weisen neben der allgemeinen Anerkennung der Ärzte auch die Ar-beiten seiner Schüler, unter denen Carus durch ein „Lehrbuch derGynäkologie" Aufsehen erregte. Außer seiuer litterarischen Thätig-keit ragt Joerg durch seineu konservativen operativen Sinn hervor,sowie dnrch einige sehr wertvolle gerichtliche medizinische Unter-suchungen über die Zurechnnngsfähigkeit Schwangerer und Ge-bärender, sowie über natürliche und künstliche Verletzungen vonMutter nnd Kind während der Geburt. Er hat dadurch großenSegen gestiftet. Immer und immer wieder betonte er in seinenVorlesungen, daß der wahre Geburtshelser vor allem der Natursreien Lauf lassen mnß und erst dann eingreifen dürfe, wenn ersieht, daß die natürlichen Hilfskräfte zu Ende gegangen sind. —Noch mehr betonte die forensische Seite der Geburtshilfe AntonFriedrich Hohl (1789—1862), der die Professur iu Halle inne-hatte. Sein „Lehrbuch der Geburtshilfe" enthält für denGerichtsarzt wertvolle Auseinandersetzungen und ist außerdem da-durch berühmt geworden, daß Hohl die Auskultation, die er auchin einem speciellen Werkchen abhandelte, sehr hoch stellte. Dergenannte Geburtshelfer machte einen eigenartigen Bildungsgangdurch, er war Advokat, später Offizier und Hofmarschall, resp. Ver-