52V X. Geistes- und Nervenkrankheiten und gerichtliche Medizin.
das Auflegen von Säckchen mit Ameisen und Flöhen. Außerdembenutzte man das Tretrad, in welchem die Kranken gezwungen waren,fortwährend zu gehen, den Zwangsstuhl, die Zwangswiege, deuenglischen Sarg und endlich die Zwangsjacke; knrzum ein ganzesArsenal unheimlicher Apparate, wie in einer Folterkammer, standdem Arzte zur Verfügung, um die Geisteskrankheit zu bekämpseu.Es ist interessant, daß man in den letzten Jahren mit den Vesi-kautieu am Kopfe wiederum Versuche au Patienten, die vonOsineutiii. paralz'ticg. befallen waren, gemacht hat — ohne jedenErfolg, und daß die Versuche, die man mit den Drehbewegungenan Tieren anstellte, zeigten, daß dieselben durch längere Fortsetzungdieser scheußlichen Methode schließlich geistig degenerieren. Daßauf diese Weise eine chronische Überflllluug des Gehirnes mit Blutzu stände kommen mnß, bedars übrigens gar keiner Forschung; umdieses eiuzuseheu, genügt die einfache Überlegung.
Kein Wunder, daß Conolly (1794—1866), der 1839 dieIrrenanstalt in Hanwell übernahm und bis 1844 jeden mechanischenZwang abgeschasst hatte, bald unter den Weitsichtigen seiner Lands-leute Anklang faud. Schon nach 10 Jahren war in 24 englischenIrrenanstalten , die mehr als 10 000 Kranke beherbergten, dasnou rest.rg.iut eingeführt und begann von England ans seinenSiegeszug über die ganze gebildete Welt. Es ift auch hier, wieim Lebeu immer, über das Ziel hinausgegaugen worden unddadurch, daß man unter allen Umständen den mechanischen Zwangbeseitigte, mußte man die Unterstützung von Wärtern anrufen,welche uicht immer mit zarten Händen zugreifen. Die Zwangsjackekonnte niemals ganz entbehrt werden und wenn heutzutage einepileptisch Tobsüchtiger (eine Krankheitssorm, die zu den schlimmstengehört, die man sich überhaupt denken kann) ständig mit demKopse gegen die Wand geht oder sich ein anderer Patient ausirgend einer Wahnidee einen wegen einer Verletzung augelegtenVerband immer wieder abreißt, dann legt der moderne Psychiaterkein Veto dagegen ein, wenn solche Kranke, falls sie nicht dnrchandere Mittel beruhigt werden können, für die Dauer ihrer Auf-reguugsstunde iu unschädlicher Weise darau gehindert werden, sichselbst Schaden zuzufügen. Auch bei der Verbringung von Geistes-