Conolly.
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kranken in die Heilanstalten kann man mitunter die Jacke nichtentbehren, die viel milder ist, als die Fäuste der bei solchen Ge-legenheiten meist intervenierten Dienstmänner. —
In dem belgischen Orte Gheel besteht seit dem 12. Jahr-hundert eine Jrrenkolonie, in welcher unter 11000 Einwohnernca. 2000 Geisteskranke mit den Dorfbewohnern srei zusammen-leben. Die verschiedenen Einwände, welche gemacht werden, daßeinerseits durch Vermischung der Kranken mit den Gesunden einpsychisch entartetes Geschlecht erzeugt würde und daß sich durchGewaltthätigkeiten der Kranken Unzuträglichkeiten ergeben, werdenvon den verschiedenen Besuchern des Ortes als unbegründet zurück-gewiesen. Es ist Thatsache, daß iu der Jrrenkolonie Gheel auchnicht mehr Unglücksfälle vorkommen, als in den Anstalten, imGegenteil bemerkt man, daß die Verpflegung der Kranken in denseit Alters an den Umgang mit Geistesgestörten gewohnten Familieusehr wohlthätig aus die Kraulen wirkt und die Krankheitsdauerverkürzt. Auch in Schottland hat man die Familienverpflegungeingeführt und zwar mit gutem Resultate uud iu Deutschland wurde der Versuch in Jlten bei Hannover und in Bremen ge-macht. Es ist selbstverständlich, daß man nnr ruhige und leichtzu kontrollierende Fälle hinausgiebt uud zwar uur an nüchterneMenschen, die durch ihre Lebensführung Garantie bieten, daß dieKranken bei ihnen gut beaufsichtigt und nicht vernachlässigt werden.Die Familienverpflegung kann auch uicht überall durchgeführtwerden, weil in stark bewohnten Gegenden doch die Ruhe derKranken zu sehr in Frage gestellt würde. Anders ist die Sachemit landwirtschaftlichen Kolonien, deren erste von dem berühmtenPsychiater L. Snell 1864 in Einnm bei Hildesheim mit 142Hektar Laud und einem Anlagekapital von 228 000 Mk. eröffnetwurde und heute noch in voller Blüte besteht. Die 12 Jahrespäter (1876) erfolgte Eröffnung der kolonialen Anstalt zu Nlt-Scherbitz umfaßt 600 Kranke, die bayerische Kolonie Gaberseenicht weniger; an allen Orten strebt man darnach, die geeignetenKranken aus den geschlossenen Anstalten heraus in die Freiheitund zur landwirtschaftlichen Arbeit zu bringen und dadurch dieKraukheitsdauer abzukürzen, den Kranken die Zeit der Krankheit