524 X. Geistes- und Nervenkrankheiten und gerichtliche Medizin.

denen einzelne noch hente zn Recht bestehen. In zweiter Linieführte er, was bei dem Aufschwung dieser Disciplin nicht wundernehmen kann, die pathologische Anatomie in die Jrrenheilkuudeein und verwertete deren Ergebnisse für die Behandlung, was vorihm noch keiner gewagt hatte. Ein eifriger Anhänger des ^c>-rsstraint-Systems, für das er in Wort und Schrift und durchdie That eintrat, nachdem er es in England selbst studiert hatte,fand er viele Gegner, sogar unter den ersten Geistern seiner Zeit. —Wenn man heute die „Pathologie und Therapie derpsychischen Krankheiten" durchlieft, bedauert man einerseits,daß Griesinger seine reichen Erfahrungen gerade der letztenLebensjahre uicht mehr litterarisch benutzt hat, andererseits stauntman über den weit vorgeschrittenen Staudpunkt, den der Autorentnimmt. Ein Hauch der neuen Zeit weht uus aus den ver»gilbten Blättern entgegen und manche Krankheit ist so geschildert,daß auch die Nachfolger daran nichts zu ändern brauchten. Frei-lich fehlen manche Symptomenkomplexe, die erst später scharf zu-sammengefaßt wurden, aber dem Geift des Buches thuen dieseMängel wenig Eintrag. Schon oben konnte betont werden, daßsich Griesinger um die Therapie große Verdienste erworben hat;dieselben liegen zum Teil auch darin, daß er für die Trennungder heibaren Fälle von den unheilbaren frühzeitig eintrat, d. h. dieBestrebungen derjenigen, welche die relativ verbundenen Heilanstaltenfür besser ausaheu, mit den Worten bekämpfte, daß er es fürverfrüht hielte, auf das System der reiuen Heilanstalten zu ver-zichten. Es herrschte gerade in der Jugendzeit Griesingers einlebhafter Streit, ob man die neuen Anstalten nnr für frischeFälle einrichten soll uud für die abgelaufenen Fälle Special-heilanstalten gründen müsse, oder ob die Vereinigung mehr amPlatze wäre. Jedes dieser Systeme hat sein Gutes und sand seineVerteidiger. —

Griesinger steht im Wendepuukt der Psychiatrie, von ihmaus kann matt auf die Vergaugeuheit blickeu uud die ihm folgen-den Jahrzehnte studiereu; erst daun wird man einen klaren Über-blick bekommen. Wir haben schon gesehen, daß bis zur Mittedes Jahrhunderts zwei Schulen sich stritten, die sogenannten