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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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530 X. Geistes- und Nervenkrankheiten und gerichtliche Medizin.

getragen, zu den ersten Deutschlands gehörte. Kein glänzenderRedner, wußte er doch seine Zuhörer durch die Klarheit seinerDiktion zu überzeugen. Als er am 13. Juni 1886 mit demunglücklichen König Ludwig II. von Bayern in jeuer düstereuPsingstnacht in den Fluten des Starnberger Sees ein frühes Grabgefunden hatte, da fah die Wissenschaft, welch großen Verlust sieerlitten hatte. Unter Guddeus Schülern ragt besonders derHeidelberger Gehiruanatom Franz Nissl hervor, dem wir dieKenntnis des feineren Baues der Elementarbestandteile der grauenSubstanz verdanken. Ferner wären zu nennen: Ganser, Snell,Bumm, Kraepelin, der Verfasser des derzeit bekanntesten Lehr-buches der Psychiatrie, Forel und viele andere.

Theodor Meynert (18331892) lieferte in einer Reihe vonSpecialstndien, in denen er die Anatomie nnd Physiologie derGehirnrinde behandelte, ein System, welches nicht den unbedingtenBeifall der Fachgenossen fand, aber Zeugnis von dem glänzendenGenie des Verfassers ablegt. Emil Hnschke hatte das Gehirnals einen elektrischen Apparat bezeichnet. Die beiden Hemisphärensind Plattenpaare, das eine positiv, das andere negativ, die Central-windungen liegen am Jndifferenzpnnkt, Stirn- nnd Schläfenendesind die Pole, die Komissurensysteme die feuchten Leiter, derBalken vereinigt jene zwei kolossalen elektrischen Elemente desGehirnes. Ferner vertreten die Bogenwindnng, das Gewölbe, dasHackenbündel, die Bogenbündel zwischen den Windungen dieSchließungsdrähte, endlich werden die beiden Halbkugeln des großenGehirnes dnrch die peripheren Nerven zu einem kreisförmigenStrom aneinander gekettet. Diese Theorie hält Meynert sürfalsch, weil die Langsamkeit der Nervenleitnng jeden Vergleich miteiner elektrischen Leitung als gegenstandslos erscheinen läßt. Ersagt dagegen:Die graue und weiße Substanz des Gehirnes kannnur mit einer socialen Gruppierung lebender, beseelter Wesenzusammengehalten werden nnd diese Auffassung ist kein bloßerVergleich, sondern eiue thatsächliche Darstellung. Diesen proto-plasmatischen Wesen kommen Seelenäußerungen uicht minder zu,als sie Ehrenberg den Kolonien der Traubenmonaden, MaxSchultze den Wurzelfüßern zuspricht; die Nervenfasern, die mit