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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Theodor Meynert .

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diesen Elementarorganismen verbunden sind, können wir Fühlfädennnd, soweit sie Bewegung innerVieren, Fangarmen gleichsetzen, inder Weise, wie Gromieu uud Amöbeu ihre Fortsätze gebrauche»,nur das die Nerveusüden dauernde Bildungen sind. Die Gestalt,zn welcher diese sociale Zellenkolonie in der Gehirnrinde sich an-ordnet, ist eine taktische Aufstelluug zur Bewältigung, znm Ein-fangen der äußeren Natnr. Diese besteht zunächst aus eiuemeigenen Leibe als einer Rüstung und Bewaffnung als ein un-bestreitbares Kollektiveigentnm der Kolonie. Das Gehirn ist inden Halbkugeln einer Kolonie dnrch Fühlfäden und Fangarme sichdes Weltbildes bemächtigender, lebender, bewußtseinssähiger Wesenvergleichbar uud dieses ist mehr, als ein bloßer Vergleich. Nnrdas Bewußtsein der Gehirnrinde fällt beim Menschen in dieAufmerksamkeit und durch die allseitigen protoplasmatischen undmarkhaltigen Verbittdungen der Elementarwesen der Rinde, dnrchihre Associatioilsvvrgänge erscheint sie sich als ein einziges Wesen."

Aus die Lokalisatiouslehre hatte besonders eine chirurgischeThatsache einen großen Einfluß, nämlich daß bei Verwundungendes Kopfes, durch welche größere Teile der Gehirumasse entferntwerden oder nach Operationen mit gleichgroßen Snbstanzverlustenzwar anfänglich bedeutende Störungen in der Intelligenz und inder motorischen Zone vorhanden sind, daß sich dieselben aber baldbessern nnd schließlich fast ganz ausgleichen können. Dies bestimmteFlourens zu der Ansicht, daß die einzelnen Teile des Groß-hirnes gewissermaßen vikariierend sür einander eintreten können,daß also die einzelnen Teile des Centralorganes an sich gleich-wertig sind und nur durch specielle Übung besondere Funktionenerfüllen, die sie nachleruen können. Dies ist ja bekanntlich beider Sprache der Fall, und bei genauerem Studium zeigte sich,daß der Sitz der Sprache sich in der dritten linken Stirnmindungbefindet und daß bei Zerstörung derselben die dritte rechte Stirn-windnug eintreten kann, mit welcher der Kranke das Sprechenähnlich zu erlernen hat, wie ein Kind. Es darf aber dabei nichtvergessen werden, daß die Sprache rudimentär wenigstens doppel-seitig angelegt ist, aber mir eine Seite beim gesunden Menschen

funktioniert. Bei den übrigen Thätigkeiten, dem Hören, Sehen,

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