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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
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ZZ2 X. Geistes- und Nervenkrankheiten und gerichtliche Medizin.

Riechen, ist die Sache anders. Hier ist auch die Anlage zwareine doppelseitige, aber es sind auch von vorueherein beide Seitenin Thätigkeit, so daß bei Verlust der einen eine Verminderungder Funktionsfähigkeit unausbleiblich ist, eine Verminderung, dienicht durch vikariierende Übernahme seitens eines anderen Gehirn-teiles verbessert werden kamt, sondern höchstens dadurch, daß sichder ursprünglich ergriffene Teil wieder erholt, oder in sichregeneriert.

Die Flourenssche Lehre wurde in etwas durch Carvilleuud Wuret modifiziert. Während Flourens uoch annahm, daßman bei Tieren das Großhirn bis auf einen kleinen Rest entfernenkann und dieser Nest dann die Thätigkeit des ganzen Gehirnesübernimmt, behaupten die beiden genannten Autoren, daß jederAbschititt einer Hälfte des Großhirnes eintreten könne für jedenbeliebigen Abschnitt derselben Hälfte, aber nicht durch einensymmetrischen oder gar asymmetrischen Teil der entgegengesetztenHirnhälfte, eine Ansicht, die von Soltmann aufgestellt und mitGründen belegt wurde. Dieser giug soweit, dem Kleinhirn eineErsatzrolle für das Großhirn zu vindizieren. Gegenüber Solt-mann nimmt Hitzig an, daß jeder Teil des Großhirns räumlichsest abgegrenzte Funktionen hat, so daß es also nicht gnt möglichist, daß ein Teil einen anderen vertritt. Die rasche Erholung,welche mau in chirurgischen Fällen wahrnehmen kann, erklärt erdadurch, daß noch Reste vorhanden blieben, welche sich rasch sovermehren, daß sie die verlorene Funktion aufzunehmen im ständesind. Goltz dagegen hat die Ansicht Soltmanns weiter aus-gebaut uud behauptet, daß das Klein- und Mittelhiru nachOperationen vorübergeheud seine Thätigkeit einstellen, aber sobaldsich die ersten Folgen des chirurgischen Eingriffes ausgeglichenhaben, wieder funktionsfähig werden.Es handelt sich bei dersogenannten Wiederherstellung nach Verstümmelung des Groß-hirns gar nicht um die Bildung neuer Ceutreu, sondern nur umdie Wiederaufnahme alter Funktionen durch uuversehrte Centreu,dereu Thätigkeit unterbrochen war. Die groben, maschinenmäßige»Bewegungen, wie das Gehen, Laufeu, welche in der ersten Zeitnach der Verletzung des Großhirns geschädigt werden, sind gar