Esquirol.
S35
mistalt um. Viele seiner Lehren können heute noch zu Recht be-stehen. Ein großes Gewicht legte er auf die Erforschung derSinnestäuschungen, bei deueu er die Halluciuatiouen und Illusionenscharf trennte und deren nosologische Bedeutung er in so klarerWeise beschrieb, daß eine von ihm ausgehende französische Schulein den Sinnestäuschungen das Hauptsymptom der Geisteskrankheitenüberhaupt zu sehen glaubte. Daß er die groben Beschränkungs-versuche der Gestörten reduzierte und namentlich den Aderlaß, mitdem viel Unfug getriebeu wvrdeu war, verwarf, sei uur nebenbeibemerkt.
Die Hallucinationen sinden sich bei vielen Geisteskrankheitenund haben eine prognostische Bedeutung; sie sind aber auch imLeben der Gesunden nicht gar so selten, wie man im allgemeinenanzunehmen geneigt ist. „Die Geschichte der Hallucination enthältnach Krafft-Ebing einen Teil der Geschichte des Kulturlebensaller Völker uud Zeiten uud ist ein Spiegel der religiösen An-schauungen derselben. Hallucinationen haben bedeutsame geschichtlicheEreignisse mit veranlaßt (Kreuzesvision Konstantins des Großen),Religionen gestiftet (Mohamed), zu den kläglichsten Verirrungen inForm von Hexenprozessen, Aberglauben und Gespensterspuk geführt.Sie haben eine wichtige Bedeutung für das Entstehen von Sagenuud Märchen gehabt. Und endlich sind Hallucinationen häufig inder Geschichte der Klöster, wo uervöse Disposition, Kasteiung, Ent-ziehung des Schlafes, intensive Konzentration auf wenige Vor-stellungen und dadurch gesteigerte Phantasie, vielleicht auch Onaniezusammenwirkten, um jene zu provozieren. — Die Psychiater habenunterscheiden gelernt, daß die Hallucinationen im Ceutralorgauentstehend nach außen Projiziert werden, also auf einer krankhafte,:Grundlage erwachsen, während die Illusionen durch eine falscheAuffassung der Außenwelt in Unaufmerksamkeit oder Stvruugender Sinnesorgane ihren Ursprung haben, also ganz gut bei völliggesundem Gehirn auftreten können. Daher anch die scharfe Unter-scheidung und die Bedeutung der Hallucination für die Erkennungeiner psychischen Krankheit.
Über die Häusigkeit der Sinnestäuschungen sind die Forschernicht zu abschließendem Urteile gekommen; während Esquirol an-