Hysterie. 551
standen sind vder von außen suggeriert wurden, im Bilde derHysterie eine große Rolle spielen, so kann es nicht wundernehmen,wenn schon Charcot auf den ideogenen Ursprung der Hysterieaufmerksam machte, ihm folgten in Deutschland Struempell,Jolly und Oppenheim, und Möbius ist so weit gegangen, dieHypothese aufzustellen: „Hysterisch sind alle diejenigen krankhastenVeränderungen des Körpers, welche durch Vorstellungen bedingtsind." Daß man uuter dieseu Umständen darauf kam, die Hysteriefür eiue Kraukheit der Gehirnrinde zu nehmen, bei welcher nurdie krankhaften Veränderungen unseren Sinnen noch nicht zugäuglich sind, kann nicht überraschen. So schwanken die Meinungenhin und her, ob man es mit einer Psychose zu thuu hat oder miteiner Neurose und ein endgiltiges Urteil läßt sich bis zur Stundenoch nicht fällen, es ist sicher, daß die Hysterie nicht in allenLändern die gleichen Symptome hat, vielmehr je nach dem Volks-charakter ihre Verschiedenheiten aufweist; so ist die Hysterie derFranzosen eine ganz andere, jedenfalls eine schwerere Krankheit,als die bei uns beobachteten Fälle es im Durchschnitt zu seinpslegen. Mit fortschreitender Kultur, mit den gesteigerten An-sprüchen an das Leben und den dadurch hervorgerufenen Disso-nanzen zwischen Genuß uud Pflicht, zwischen gesunder Arbeit undNnhe wächst die Kraukheit, die uach den Erfahruugen der bestenBeobachter in der Zunahme begriffen zu feiu scheint und derenSymptome mehr und mehr sich verschärfen.
Von den Geisteskrankheiten, die im Gefolge der Hysterie auf-treten, kennt Krafft-Ebing 3 Formen: die transitorischen Jrre-seinszustände, die protrahierten psychischen Äquivalente und dieeigentlichen hysterischeu Psychosen. Die ersteren zeigen sich alsDelirien, ekstatisch- visionäre und Dämmerzustände, die Äquivalentehaben eine gewisse Ähnlichkeit mit den epileptischen und diePsychosen werden am klarsten durch den Ausdruck: hysterisch-hallueinatorischer Wahusiuu. Das Krankheitsbild ist ein so viel-gestaltiges, daß man die Züge fast aller Psychosen vorfindet. -Die Arbeiten anf diesem Gebiete, denen sich noch die von Gillesde la Tourette anschließen, haben znr Evidenz bewiesen, daß dieHysterie die Aufmerksamkeit der Gerichtsärzte in hohem Grade