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XI. Zoologie.
Die erste Theorie war die Evolution oder Entfaltung, oder wieman sie in jüugster Zeit genannt hat, die Präformations-theorie, nach welcher jeder Teil eines Organismus von vorn-herein vorhanden ist, also nichts Neues gebildet wird. Diesveranlaßte Haller zu dem Ausspruch: „Kein Teil im Tierkörperist vor dem anderen gemacht worden, nnd alle sind zugleicherschaffen." Im Gegensatz zu dieser Theorie steht die von CasparFriedrich Wolff vertretene Lehre von der Epigenesis. BeideTheorien haben ihre Wahrscheinlichkeiten und ihre Unwahrscheinlichleiten. Da man annahm, daß nicht nur der einzelne Organismus,sondern auch dessen Nachkommen präformiert sind, kam man zuder Eiuschachtelungstheorie, die treibenden Kräfte für dieEpigenesis suchte Blumenbach, wie wir schon in einem früherenKapitel gesehen haben, in dem i,i8us formativus. Die neuerenZeugungstheorien stammen von Darwin , Naegeli, Stras-burger, Hertwig und de Vries. Sie haben den Gegensatz,der zwischen der Evolution und Epigenesis herrschte, zum Teilwenigstens gemildert nnd von beiden Theorien das nachweisbarRichtige weiter ausgebaut. Alle Anlagen, welche der ausgebildeteOrganismus zeigt, sind schon im Keim enthalten und werden nachNaegeli als Erbmasse(Jdioplasma)bezeichnet. Es ist eineZenguug,keine Neubildung, souderu eine Umbildung, insofern? als ein mitAnlagen ausgestatteter Keim zu einem fertigen Organismus ver-ändert wird. Ist der letztere ein Makrokosmns, so ist die Erb-masse ein Mikrokosmus, welcher wieder aus einer Menge vonverschiedenartigen Stoffteilchen zusammengesetzt ist, die besondereKräfte haben nud die Trüger der erblichen Eigenschaften sind.Diese kleinsten Teilchen, aus denen jede einzelne Zelle gebildetwird, haben von den verschiedenen Autoren verschiedene Namenerhalten: Darwin spricht von Keimchen (Keiumulas), Spencervon physiologischen Einheiten, Naegeli von Jdioplasmateilchen,Hertwig von Jdioblasten. Da man den Jdioblasten die Fähigkeitzuschreibt, sich durch Teilung zu vermehren, so können sie mit denAtomen nnd Molekülen der Chemie nicht identisch sein, denn dieersteren sind unteilbar, die letzteren können nur in Teile zerlegtwerden, welche mit dem ursprünglichen Teil keine Gleichheit mehr