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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Entwickelungsthelirien,

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haben. Es scheint also nach Spencer:nichts anderes übrig zubleiben, als anzunehmen, daß die chemischen Einheiten sich zuEinheiten viel komplizierterer Art zusammenthun, als sie selbstsind, so kompliziert sie auch sein mögen, und die in jedemOrgauismus durch eine solche weitere Verbindung hochzusammen-gesetzter Moleküle erzeugteu Physiologischen Einheiten können mehroder weniger verschiedenen Charakter besitzen." Damit möge aberder Ausslug in die Zellenlehre, welche ebensogut der Zoologie,wie der Botanik angehört, beendigt sein, weil ein weiteres Ein-gehen zu sehr ermüdeu dürfte. Es ist bezeichnend für die Wissen-schaft, daß die Zoologie die Systematik verlassen und sich diesenwichtigen Fragen zugewendet hat, welche dem Leben in seineuUranfängen nachspüren.

Wir konnten im vorausgehenden die geschlechtliche Fort-pflanzung als Vereinigung zweier differenter Zellkerne, des Eikernsund des Samenkerns, erklären oder mit anderen Worten, die Ei-zelle kann sich nur entwickeln, wenn sie befruchtet worden ist. DieErfahrung und die Erforschung haben aber ergeben, daß die Be-fruchtung nicht immer nötig ist uud so entstand die Lehre von derJnngfernzengnng (Parthenogenesis). Schon gegen Ende des18. Jahrhunderts sah Jakob Christian Schäffer (17181790)bei Krustern das vorhin beschriebene Vorkommnis und der umdieselbe Zeit lebende Charles Bonnet (17201793) machte dieEntdeckung, daß sich weibliche Blattläuse generationenlang ver-mehren können, ohne daß ein Männchen mit im Spiele war. Nochim Jahre 1848 sprach sich Carl Th. v. Siebold entschieden gegendie Parthenogenesis aus, aber seiue experim enteilen Untersuchungenbrachten ihn bald von seiner Meinung ab, so daß er die männer-lose Fortpflanzung durch Eier nicht nur für möglich zugab, sondernanch direkt beobachten konnte. Eine Abart der Parthenogenesisist die Pädogenesis, indem sich die Fortpflanzung an Tieren voll-zieht, die das Ende ihrer normalen Entwickelung noch nicht erreichthaben. Vou größtem Werte siud die Beobachtungen Sieboldsund Dzierzons betreffs der Parthenogenesis der Bienen undWespen. Es stellte sich nämlich herans, daß die befrachteten Eiernur Weibchen, die unbefruchteten nur Männchen liefern. Die