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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Die Selektionstheorie.

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nur die schwächeren Vertreter; so ist das ganze Leben ein ewigerKampf nms Dasein, oder, wie sich Wallace ausgedrückt hat,ein Ringen um die Erhaltung des Lebens. Da, wie gesagt,in den meisten Fällen nur diejenigen Individuen zu Grnnde gehen,welche eine schlechtere oder schwächere Konstitntivn haben, so werdensich nur die kräftigeren oben halten nnd so werden sich auch diekräftigeren Eigenschaften fortpflanzen, so daß damit eine langsamfortschreitende, aber sichere Veredelung der eiuzeluen Nassen staltefindet. Das Überleben des Passendsten ist der Kernpunkt derDarwinschen Selektionstheorie. Die Beispiele, welche Darwin als der auf dem Lande, mitten in der Natnr lebende, einsameGelehrte meist aus der Landwirtschaft genommen hat, beweisen,daß im Kampfe ums Dasein alle diejenigen Individuen zu Gruudegehen, welche den jeweiligen Existenzbedingungen nicht gewachsensind und daß durch eine geeignete Zuchtwahl die Rasse wesentlichverbessert werden kann, denn ebensogut, wie sich die schlechten Eigen-schaften forterben, so thun dies auch die guten.

Es läßt sich denken, wie sehr durch die nene Theorie alleGemüter erregt wurden; die Mediziner, Botaniker und Zoologenhatten weniger Grund zur Aufregung, fondern frenten sich desFortganges der Wissenschaft, wenn auch in ihrem Lager, wie wirnoch sehen werden, entschiedene Gegner ausstanden, aber denTheologen waren die neuen Lehrsätze ein Greuel, weil sie mitden Überlieferungen, daß die Welt vom ersten Tage an fertigdastand, fertig für alle Zeiten, für die Ewigkeit brachen; in ihnenlag ein Zweifel an dem Höchsten, so daß das Anathema nichtausbleiben konnte. Die Lehre, daß der stolze Mensch, die Kroneder Schöpfn ug vvm Affen abstammen sollte, mußte freilich, ausdem Zusammenhang gerissen, aus die niederen Klassen weniggünstig wirken. Darwin hat dies übrigens in keinem seinerBücher behauptet; daß er aber den Iiomo Mjziöns anch unterdie Säugetiere rechnete und ihn den von ihm ausgestellten all-gemeinen Naturgesetzen unterwarf, daß er keine Ausnahme machtemit dem gottähnlichen Herrn der Welt, das konnte und durfte demstillen Mauue, der trotz Krankheit und Schmerzen unablässigarbeitete, seine Wissenschaft zu bereichern, nicht verziehen werden.