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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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XII. Botanik.

der Verwandtschaft, sondern auch van einen: gewissen sexuellenVerhältnisse der betreffenden Pflanzen zu einander ab, welchesNaegeli mit dem Namen sexuelle Affinität belegt hat. Unterreciproker Hybridation versteht man die Thatsache, daß die Sexual-produkte der in Frage stehenden Pflanzen als Vater und Mutterauftreten köuneu, es giebt aber auch Fälle, wo nnr in einer Rich-tung eine Hybridation möglich ist. Werden verschiedene Artenvon Blutenstaub auf die gleiche Narbe übertragen, so werden nurdiejenigen Polleu befruchtend wirkeil, welche die größte sexuelleAffinität besitzen. Mitunter kommt es vor, daß ein Pollen, welchereine geringere Affinität hat, schon befruchtet hat, wenn der homo-genere auf die Narbe getragen wird, in diesem Falle bleibt derletztere wirkungslos; die Bastarde haben im allgemeinen die Eigen-schaften der Eltern, daneben aber noch neuere Merkmale, unter denendiejenige hervorragt, stärker zu variieren, sie zeichnen sich mitunterdadurch aus, daß ihneu eine größere Lebensfähigkeit beschieden ist,daß sie früher und reichlicher blühen, aber die Sexualität ist ver-mindert und kann bis zur völligen Unfruchtbarkeit ausarten. Ver-einigt sich ein Bastard mit einem solchen anderer Gattung sexuell,so entstehen die abgeleiteten Bastarde, die Naegelis Interessein solchem Grade erweckt haben, daß erErbschaftsformeln"aufstellte. Die künstlicheu Bastardierungen haben nicht nur wissen-schaftliches Aufsehen erregt, sie sind auch von praktischem Werte,nicht nur in der Kultur der Garteupflanzen und der Blumen-auch beim Weinstock hat man die Erfahrung gemacht, daß es ge-wisse Arten giebt, welche der Reblaus größeren Widerstand ent-gegensetzen als andere. Darüber hat namentlich der französischeBotaniker Millardet Untersuchnngen angestellt. Es berührteigentümlich, zu lesen, daß Sachs schon im Jahre 1887 gegen dieVersuche, die Phylloxera auszurotten, Stellung genommen hat,indem er darauf hinweiseu kouute, daß mau die' Reblaus nichtvertreiben kann, sondern Weinstöcke auslösen muß, deneu sie uichtschadet. Trotz alledem hört der Kampf gegen die Reblaus nicht auf.Wissenschaftliche Wahrheiten brauchen oft lange Zeit, bis sie sichin die Praxis umsetzen lassen. Uuter deu Autoren, die sich nindie Hybridatiousfrage verdient gemacht haben, ist neben Darwin ,