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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Reizbarkeit.

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Untersuchungen haben ergeben, daß die Reizbarkeit eine Thätigkeitdes Protoplasmas ist, daß also alle lebenden Zellen der Pflanzewegen ihres Gehaltes an Protoplasma reizbar sind. Die durchäußere oder innere Reize ausgelosten Bewegungen entsprechen nunim Pslanzenleben nicht den Gesetzen der Mechanik, so daß der Reiz-effekt in seiner Größe der Reizwirkung vollständig entspräche,vielmehr ist die Wirkung häufig eine unerwartet große, eine dis-proportionale. Dies gab den Anhängern der Naturphilosophie,die über diese Beobachtungen verblüfft sein mußten, Anlaß, eineLebenskraft aufzustellen, die den gewöhnlichen Gesetzen nicht unter-worfen ist. Aber die Botaniker haben bei ruhiger Forschung heraus-gefunden, daß die qualitativen und quantitativen Unterschiedezwischen Ursache uud Wirkung sich dadurch erklären lassen, daß inden Pflanzen schon vorher latente Kräfte vorhanden sind, welchebei einem äußeren Anstoß zur Wirkung gelangen nnd dieselbevergrößern oder verändern. Kurze Zeit, nachdem die Reizwirkungaufgehört hat, kehrt die Pflanze in ihren früheren labilen Zustandzurück, es sei denn, daß der Reiz ein so mächtiger war, daß erintensivere und länger währende Veränderungen hervorruft. Sachsbezeichnet dieselben als vorübergehende Starrezustände und kennteine Kältestarre, eine Wärmestarrc, eine Dnnkelstarre, eine solche,welche durch Trockenheit, durch chemische oder elektrische Einflüssehervorgerufen wird. Der Reiz hat die Fähigkeit, sich fortzupflanzen,doch ist die Neizbewegung im Pflanzenleben eine ungemein viellangsamere als im Tierleben. Entsprechend den von JohannesMüller entdeckten specifischen Energien, wonach die einzelnen Nervendes Tieres auf äußere Einwirkung nur entsprechend ihren übrigenLebensfunktionen antworten, also der Sehnerv einen Druck alsLichtempfindung wiedergiebt, hat Sachs auch in der Pflanzenweltfpecififche Energien gefunden, es antwortet jedes einzelne Pflanzen-organ auf Licht oder Druck oder auf die Gesetze der Schwerkraftuur in der einzigen, ihm specifisch eigenen Art, so daß also einPflanzenteil, der sich durch die Einflüsse des Lichtes krümmt, diesauch thut, wenn er gedrückt oder erschüttert wird.

Gehen wir zur Bewegung über, so kommen wir in ersterLinie auf die Schwärmzellen, die nach den nmfafsenden Stndien