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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Einleitung.

Gewinn nnd Verlust gegeneinander abwägen: das ist uns Bedürf-nis und das ist unser Recht.

Allein ob wir das können? und ob ich das kann? Gemachthaben es ja für unser Jahrhundert auch schon andere.HundertJahre Zeitgeist" heißt ein Werk von Julius Duboc , ansSterbe-lager des Jahrhunderts" hat sich Ludwig Büchner prüfend undrichtend gestellt. Aber vielleicht ist es noch einfacher, vielleicht kannman das Ergebnis der Rechnung iu Einer Formel, in Einem Be-griff aussprechen, wie Nur ja das achtzehnte Jahrhundert kurz-weg das der Aufklärung nennen. Auch für das unsrige fehlt esan solchen Formeln nicht. Für Schopenhauer ist esein Philo-sophisches Jahrhundert, weil es zur Philosophie reif und eben des-halb ihrer durchaus bedürftig ist";das reichste der neuen Geschichte"nennt es Heinrich von Treitschke , denn esernte die Saat desZeitalters der Reformation".Ein Jahrhuudert der Kritik" siehtKuno Fischer in ihm, weil esMythen zerstört, sreilich auch wiederwelche schafft".Durchzogen vom Kampf um den Einzelnen" istes diesem, nnd jenem eineZeit der großen Sehnsucht"; das historischeoder das sociale Zeitalter heißt es deu einen, den anderen Wohl nochhäufiger die Epoche der Naturwissenschaften und der Technik imausgesprochenen Gegensatz dazu und im Triumph über alle Geistes-wisseuschaft, so daß das Schiller'scheHerr der Natur" heilte nochganz anders Wahrheit ist als vor hundert Jahren.

Aber so wahr nnd treffend diese Formeln alle sind im Mundedesseu, der sie ausspricht, und an der Stelle, wo er sie ausspricht,so wenig können sie doch das zeigeil auch die Widersprüche, indenen sie sich gegen einander bewegen in ihrer Kürze die unend-liche Maunigfaltigkeit uud den Reichtum des Geisteslebens von dreiGenerationen in sich zusammenfassen. Und so meint denn auchEdmund Psleiderer, wenn er in seiner geistvollen Rede über dengeschichtlichen Charakter unserer Zeit an ihrden extensiven Zngder Allgeschichtlichkeit und den intensiven der Thatgeschichtlichkeit"als besonders charakteristisch hervorhebt, damit selbst nur einen Teildes Jahrhunderts zu treffeil und mnß uns überdies erst einenKommentar geben zu dieser glücklich gefundenen Welldung.

Was folgt daraus? Daß die Sache so einsach überhaupt uicht