Einleitung.
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liegt. Es giebt keine Formel und wäre sie die treffendste und kompakteste,die als Zauberschlüssel uns mit einem Griff die Thüre offnen ließezum Verständnis des ganzen Jahrhunderts; in ein Schlagwortläßt sich die geistige Signatur eiues solchen längerem Zeitraumsuicht fassen. Jedenfalls für den uicht, der selbst noch mitten darinsteht; auch vom Jahrhundert der Aufklärung reden wir nnr a partspotiore, die einen, weil uns die Ausklärung am achtzehnten Jahr-hundert das Wertvollste, die anderen, weil ihnen dies das Ver-haßteste daran ist und weil es sich dadurch jedcusallsambestiinmtestenvom neunzehnten abhebt, das auf den Ruhm der Aufklärung dochuur teilweise Anspruch erheben kann und dem Weltgeist eher wieFaust verworren gedient hat. So braucht es also auch hier viel-mehr geduldiger Arbeit und breiter Darlegung, uud des Bekennt-nisses, daß Eiues Meuschen Wissen und Denken nicht mehr alsStückwerk zu liefern vermag; auch da gilt, daß das Ganze nur füreiucn Gott gemacht ist und nur vom Auge des Weltgeistes sel bst überschautwerden könnte. Ich stehe nicht über dem Ganzen, sondern aufeinem bestimmten Standort, von dem aus ich nur das zu sehen undzu spüren im stände bin, was bis zu ihm herandringt. Als Sohnmeines Volkes, als Deutscher schreibe ich daher zunächst und be-richte von den geistigen und socialen Strömungen dieser hundertJahre, wie sie uns Deutsche mit sich dahin getragen und umbrandethaben; weil wir aber in Europa geographisch das Reich der Mittebilden und weil uus auch innerlich ein fremdbürgerlicher Zug durchunsere Lage und durch den Gang unserer geschichtlichen Entwicklungaufgeprägt ist, so wird nebenher doch auch Fremdes, wo es aufuns gewirkt hat und wirkt, zur Sprache kommen müssen. Dennwer kaun, um uur Eiu Beispiel zu uennen, vom deutschen Geistes-leben am Ende unseres Jahrhunderts sprechen, ohne auf Kierkegaard und Ibsen oder auf die beiden Antipoden Zola nnd Leo XIII. hinzuweisen?
Ich stehe aber auch insofern auf eiuem bestimmten Stand-punkt, als ich urteile, wäge und richte; nnd das ist, so sehr ich michanch um Objektivität bemühen mag, in diesem Falle nicht möglichohne die stärkste, weuu auch ungewollte Hervorkehruug meinereigenen Subjektivität. Je mehr man sich der eigenen Zeit nähert,