Der Klassizismus.
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ja immer mehr eine universale wurde. Idealismus aber war esnach zwei Seiten hin: einmal weil es eine sich ins Unendliche er-streckende sittliche Aufgabe und dann weil es die Innerlichkeit war,deren Bildung über das äußere Leben, seine Anforderungen nndderen Befriedigung gestellt wnrde und den Menschen als einzelnenzur schönen Individualität, oder wie Schiller es nannte: zur schönenSeele sich entfalten lassen sollte. Und es war klassischer Idealis-mus, uicht Deshalb, weil damals gerade Goethe mit seiner für denFaust bestimmteu Helcuatragödie oder Schiller mit seiner Brautvon Messina die dem modernen Menschen gezogene Grenzlinie desAntikisierens teilweise schon überschritten, sondern weil sie doch beidedas Land der Griechen mit der Seele suchten und von griechischerSchönheit uud Freiheit, der eine naiv, der andere sentimentalischsich zur Erfüllung jcuer Aufgabe stärken und ausrüsten ließen.Und es war endlich ästhetischer Individualismus, was ums Jahr18V0 Schiller und Goethe in sich darstellten uud was Wilhelmvon Humboldt und die ihm Geistesverwandten ihnen nachlebten undfür fich erstrebten. Wie Goethe aus der Welt, notabene der kleinenstillen Welt Weimars, in die Einsamkeit Italiens sich flüchtete, sohat auch Humboldt in Rom , das ihm als die Stadt der idealenMenschheit erschien, gelernt, was er sein Leben lang so meisterhastverstand: sein Innenleben unberührt erhalten von den Kräuse-lungen des amtlichen Thuns uud der geselligen Ansprüche; nnr injenem sah er ein wirklich Wertvolles, sah er Gehalt und Inhaltseines Lebens. Wodurch er der Gefahr eutraun, aus einem Indivi-dualisten zn einem Egoisten und ästhetischen Genießling zn werden,werden wir später sehen. Schiller that schon vorher mit dem „Tell"den Schritt vom Einzelnen zum Volk, wie er deuu immer einenPolitischen Tic gehabt uud auch im Wallenstein das Milieu nichtübersehen hat. Bei Goethe aber kommt erst mit Wilhelm MeistersWanderjahren der Übergang von der Bilduugsodyssee des Indivi-duums zu eiuem ueueu Soeialen und Soeialistischen zur deutlichenAussprache. Der zweite Teil des „Faust " zeigt, wie schwer ihm dieserSchritt zum Handeln und zur Socialethik gewordeil ist, und dochfindet er auch dasür eben noch vor Thorschluß im Faust den schönstenAusdruck, weuu er dieseu sagen läßt: