Die Romantik.
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früheren, auch damals kam, unter dein Einfluß Rousseaus , derGegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit voll und neu zum Be-wußtsein. Hier wäre der Punkt gewesen, wo Schiller den Roman-tikern uäher stand als Goethe; denn ihm lag dieser Gegensatz ganzbesonders schwer ans der Seele, weil er sentimentatisch war undnicht wie Goethe naiv. Aber hier kommt auch alsbald der scharfeTrennungsstrich: Schiller sucht den Widerstreit zn überwindendnrch das unendliche Streben seiner sittlichen und künstlerischenPersönlichkeit, durch eiu positives Ideal; die Romautiker dagegen,durch jenen Widerstreit im Gleichgewicht ihrer Seele gestört, setzenan die Stelle eines solchen ernsten Strebeus das Spiel einer be-ständig oscillierenden Reflexion, machen aus Ernst Spaß, nehmen„das ganze Spiel des Lebens wirklich anch als Spiel" und nennendann dieses Spiel uud diesem Spaß Ironie.
Der aber, auf den bei ihnen dieser Begriff zurückgeht, istuicht Rousseau, souderu Fichte, dessen Philosophie formell paradoxist: Ironie ist die Form des Paradoxen, paradox aber ist ihnenalles, was zugleich gut uud groß ist. Allem auch Material suchtja die Fichtesche Philosophie die Erhebung über das Bedingte undfindet sie — im unbedingten und absoluten Ich. Dieses absoluteIch Fichtes wird zum Subjekt der romantischen Ironie. FichtesIch schasst sich eine Objektenwelt frei nnd gebunden zugleich mittelstder produktiven Einbildnngskraft. Das war ein Begriff, denanch der Dichter brauchen konnte, mie er ja vom künstlerischenSchaffen herübergenvmmen ist. So wird das künstlerische, dasdichterische Ich verabsolutiert und ihm in seiner Genialität dasRecht zugesprochen, sich über alles souverän zu erheben uud mitallem nach Willkür zu spielen, — das Fichtesche Ich wird zumromantischen Ich, dessen Eigentümlichkeit darin bestehen soll, daß„jeder nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oderpoetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern sich müßtestimmen" können. Und hier ist auch zugleich der Ausgaugspuuktsür die Forderung, daß alles poetisicrt werden soll: jedenfallswerden in der Ironie zunächst einmal Philosophie nnd Poesie eins.Und wie sich endlich in Fichtes Wissenschaftslehre das Ich selbst inseiner Entwickelung zuschaut und erfaßt, so setzt sich auch das roman-
Zicgler, die geistigen u, socialen Strömungen des 10. Jahrh. 3