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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
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1800 bis 1830: Die drei Weltanschauungen.

tische Ich schließlich über sich hinweg und spielt souverän auch mitsich selber; nun erst wird die romantische Poesie, wie es bei Fichteein Wissen des Wissens giebt, zur Poesie der Poesie, zur poten-zierten Poesie.

Aber auch Fichte konnte noch überboten und übertrumpft werden;es geschah dies durch Novalis. Zunächst erfaßte er Fichtes Philo-sophie mit dem Herzen nnd darum in ihrer ganzen Tiefe; anchihre moralische Tendenz war ihm durchaus sympathisch, das Ge-wissen erklärte er für des Menschen eigenstes Wesen in vollsterVerklärung. Aber rasch genug enthüllen sich nns auch die Differenzen:das Ich ist nicht nur Vernunft wie bei Kant und Fichte, Novalis will tiefer dringen und neue ungenannte Kräfte im Ich aufsuchen.Dieses Geheimuisvolle entdeckt er in dem, was er Instinkt, Genienennt, und so setzt er an die Stelle des vernünftigen Wissens undErkeunens den Begriff der Offenbarung; Philosophie ist ihm Selbst-offenbarung, Selbftbesprechung:es dünkt dem Menschen, als seier in einem Gespräch begriffen nnd irgend ein unbekanntes geistigesWesen veranlasse ihn auf eine wunderbare Weife zur Entwickelungder evidentesteu Gedanken". Das klingt so mystisch, daß der Über-gang zur Religion hier nahe liegt, und auch die Hinwendung zudem gotttrunkenen Spinoza fehlt nicht: da trifft Novalis mitSchleiermacher zusammen und berührt sich noch vorher mit derGlaubens- und Offenbarungsphilosophie Jacobis. Aber bedeutsamerist für ihu noch ein anderes. In jener Tiefe des Bewußtseins verwandelnsich unsere Gedanken in Gesetze, unsere Wünsche in Erfüllung: FichtesIch ist weltschöpferisch und beherrscht die Natnr durch seine ver-nünftigen Gesetze das war die Koperuikanische Nmkehruug desVerhältnisses von Subjekt und Objekt, von Ich und Natur seitKant ; der Poet aber feiert die Macht des genialen Ich mit seinerWunderkraft der Fiktion, und der religiöse Mensch preist die Machtdes Glaubens, der Berge versetzt und Wunder thut. Das allesfließt dann zusammen zu dem Glauben an die Allmacht des roman-tischen Ich, das ein geniales, ein poetisches, ein religiöses zugleichist, und so wird es zum Magus der Welt, zum Wunderthäter undZauberer. Diesermagische Idealismus" häugt bei Novalis desweiteren auch uoch mit seiner Todessehnsucht zusammen: Sterben