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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
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1800 bis 1L30: Die drei Weltanschauungen,

und so mit Notwendigkeit von der Nüchternheit der noch immerBerlin beherrschenden Nicolai, Biester und Engel abgestoßen, sichim Gegensatz zn ihnen zusammenfand. Aber zum Krystall einerneuen Bildung schoß das alles doch erst zusammen, als durch denunruhigen Geist Friedrich Schlegels Bewegung in das Ganze kam:hier in Berlin entstand so die romantische Schule, während dieRomantik schou ein paar Jahre eher zu existieren begonnen hatte.Und die drei Hohenpriester des Kreises waren Tieck der Dichter,Friedrich Schlegel der Theoretiker nnd Schleiermacher der Prediger,die beiden letztereu zn persönlich engster Freundschaft verbunden,wobei jener den männlichen, dieser den weiblichen Teil der un-gleichen Ehe repräsentierte. Aus diesem Wirbel herans, gespornt vondem ewig mit Projekten sich tragenden Genossen, schrieb Schleier-macher im letzten Jahre des achtzehnten Jahrhunderts in der Stillevon Potsdam seine Reden über die Religion an die Gebildetennnter ihren Verächtern.

Diese Gebildeten, wer sind sie anders als eben jener Kreiseiner neueu Bildung, wie er ihn in Berlin kennen gelernt hatte,in dem man der rationalistischen Theologie und ausgeklärten Predigt-weise jetzt ebenso überdrüssig war wie seit langem schon der Ortho-doxie? Und so widmet er in der dritten Rede der Ausklürungdie scharfe Absage: sie, die verständigen nnd praktischen Menschenvon heutzutage sind in dem jetzigen Zustand der Welt die Feind-seligen gegen die Religion; sie sind nicht gebildet zu nennen, ob-wohl sie das Zeitalter bilden und die Menschen aufklären möchtenbis zur leidigen Durchsichtigkeit; sie verachten die Religion nicht,aber sie veruichteu sie. Diesen verhängnisvollen Händen will sieSchleiermachcr entreißen, indem er sie auf einen ganz anderenihnen völlig fremden Boden stellt. Nicht im Wissen ist sie zusuchen: damit trifft er die Ausklärer, welche die Religion in Meta-physik freilich in was für eine? verwandeln und Vernünftig-keit freilich was für eine? von ihr fordern; nnd anch nichtim Handeln: auch damit trifft er die Aufklärer mit ihrem schalgewordenen Gerede von Tugend und ihrem weichlichen Eudämonis-mus, aber ebenso auch Kant und seinen praktischen Vernunftglaubenan Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Wenn aber nicht Wissen