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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die Romantik.

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und nicht Handeln, so muß Religion Anschauung und Gefühl sein:ahnendes Anschauen des Universums, des Unendlichen im Endlichen,und dadurch eiu eigenartiges Gestiimntsein deS Gemüts, das wieeine heilige Musik alles Thun des Menschen begleitet. So wird dereinzelne Mensch dnrch Religion ein Kompendinm der Menschheit und hatnur in ihr die Universalität, die ihm sonst abgeht. Durch jene Be-ziehung auf das Universum wird für den Frommen jede Begebenheitzum Wunder, jede neue Anschauung zur Offenbarung; jeder brauchteinen Mittler, der seinen Sinn für Religion weckt; jede heiligeSchrift ist ein Denkmal, daß ein großer Genius, ein Virtuose derReligion da war, aber nicht mehr da ist, und Religion hat nichtder, der an die Bibel glaubt, sondern wer selbst eine machen könnte;Unsterblichkeit aber heißt nichts anderes als mitten in der End-lichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein iu jedemAugenblick. So werden die religiösen Begriffe ihres gewöhnlichenSinnes und ihrer Unbegrciflichkeit beraubt uud iu einen nenenSinn umgedentet, der sie verständlich und den Gebildeten erträglichmacht, sie werden verflüchtigt und vergeistigt, vermenschlicht unddoch unendlich bereichert und vertieft, aus der schwindelnden Höheder Trnusceudenz auf den realen Boden der Immanenz versetzt unddamit vereinfacht und psychologisiert.

Wie polemisch aber Schleiermacher sein kann, das zeigt seinablehnendes Perhalten gegen den Gottesbegrisf, der ihm doch zu-sammenfallen könnte und müßte mit dem des Universums; und daszeigt noch mehr seine Abneigung gegeu die Kirche: auch er will einGeselliges in der Religion, aber verwirklicht findet er es nicht iuder Kirche, sondern einzig nnr in der frommen Häuslichkeit; freilichnicht iu uuseren beschränkten Lebensverhältnissen, wowir unsereeigenen Sklaven sein und verrichten müssen, was durch tote Kräftesollte können bewirkt werden", nein, erst und hier redet er sast soutopisch wie Bebel oder Bellamyerst wenn Wissenschaften undKünste die Welt in ein Zauberschloß verwandelt haben, wo derGott der Erde mir eiu magisches Wort auszusprechen, nnr eineFeder zu drücken braucht, wem? geschehen soll, was er gebeut, dannerst hebt sich über keinem mehr der Stecken des Treibers und jederhat Ruhe und Muße, in sich die Welt zu betrachten". Der An-