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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
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Die Romantik,

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schied er nun auch in den Monologen das Ethische ausdrücklichvom Ästhetischen uud Schönen. So kouute er in dem romantischenStrudel nicht untergehen nnd konnte auf die Dauer uicht darinbleiben: er machte sich an eine Übersetzung Platos und kehrte damitallen mittelalterlichen Velleitäten entschlossen den Rücken; FriedrichSchlegel kam von den Griechen zur katholischen Kirche , Schleier-macher von der Romantik zu Plato , darum war er so vielgesünder; und er machte sich an eine Kritik der bisherigen Sitten-lehre und nahm damit sich und sein Denken in strenge Zucht undversenkte sich mehr nnd mehr in die Welt der Sitte, die er alsein Objektives und Sociales entdeckt und begriffen hat, nnd mitder es deshalb auch nicht erlaubt und nicht möglich sei, sein Spielzu treiben. Wie tief er aber doch iu den Geist der Romantik ein-getaucht war, das zeigt seine eigene Herzensverirrung; obwohl sieEleonore Grunow gegenüber weit besser motiviert war als dasehebrecherische Verhältnis Friedrich Schlegels zu Dorothea Veit oderSchellings zu Karoline, die eine Zeit lang Aug. Will). Schlegels Gattinund die geistreiche Egeria des ganzen Kreises in Jena, aber dortzugleich auch dieDame Lucifer" gewesen war namentlichSchiller gegenüber, dessen sittliches Pathos die Jenaer Romantikerzu verhöhnen nicht müde wurden. Das freche Wort Nietzsches über Schiller als den Moraltrompeter von Säkkingen hätte anchschon Karoline falschmünzen können, wenn Scheffels Trompeternicht erst fünfzig Jahre nachher gekommen wäre. Beim erstmaligenLesen der Glocke wollte diese geistreiche Bande vor Lachen fast vonden Stühlen fallen ob des philisterhasten Geistes in dieser Ver-herrlichung des Bürgertums und seiner ehrenfesten Sittlichkeit.

Mit Schleiermacher , der trotz jener späterenErläuterungeu"zu den Reden auch als Theologe ein tapferer Mann und ein freierGeift geblieben ist sein Leben lang, hatte ein guter Genius dieRomantik verlassen, sie geht nun unaufhaltsam ihren Gang vonder Revolution zu der Reaktion weiter, in seltsamer MischungGutes und Böses mit sich führend: aber das Böse, das sie überunser deutsches Volk gebracht hat, überwog das Gute doch beiweitem. Uud sie beherrschte nun auf Jahrzehnte hin, mehr undintensiver als Kant und Goethe, die geistige Strömung der Zeit.