Die Romantik.
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Wirklichkeit des Gegebene,,, sie machten es im magischen Idealis-mus, dessen liebstes Kind bald genug das Wunder wurde, allmächtigund im Spiel der auf souveräne Willkür gestellten Ironie zügellosund frech, und selbst in ihrem eigensten Gebiet, dem der Poesie,machten sie die Regellosigkeit zur Regel und die Formlosigkeit zurForm. Uud ebenso befreiten sie dieses vornehme, aristokratische,hochgebildete Ich von den Schranken der Sitte und Sittlichkeit imLeben. In der 1799 erschienenen Lucinde verkündigte Friedrich Schlegel cynisch offen das Lob der Frechheit, wies auch die entferntesteErinnerung an bürgerliche Verhältnisse als unnatürlichen Zwangweit von sich, rühmte sich seiner „beueidenswürdigen Freiheit vonVorurteilen" und ermähnte auch die Geliebte, alle Reste von falscherScham und Prüderie von fich zn werfen und sich nichts einredenzu lassen von Gewöhnlichen, und Schicklichem. Und anch dieFaulheit verherrlichte er als das einzige Fragment von Gottähnlichkeit,das uns noch aus dem Paradiese geblieben sei; darum spottet erüber Prometheus , der die Menschen zur Arbeit verführt habe uudvon dem sie es haben, daß sie nie ruhig sein können. Angesichtssolcher zum Teil doch recht wertloser Cynismen und Paradoxienbleibt es immer seltsam, daß Schlciermacher in seinen vertrautenBriesen über die Lucinde für dieses Buch eintrat. Freilich übte erdamit zugleich auch praktisch aus edelste Weise die Kunst der Freund-schaft, gerade für das Uuküustlerische des Romans hatte er keinAuge und sachlich war ihm doch vieles recht sympathisch darin:die Unmoral unserer gewöhnlichen Moral glaubte er dadurchgetroffen und die Verachtung der landläufigen Ehe in ihrer tief-innerlichen Unsittlichkeit ließ ihm einen Augenblick sogar „vorläufigeVersuche" in der Liebe als notwendig und nützlich erscheinen, damitjeder Irrtum über Echtheit uud Dauer derselben zum voraus aus-geschlossen sei. Das alles aber galt nicht bloß in der Theorie uudsür die Poesie, was sie lehrten, das lebten die Romantiker auch:und von allem Heiligen haben sie die Heiligkeit der Ehe amwenigsten respektiert; niemals hat man es mit der Ehe ä troisleichter genommen und nur darüber gewitzelt, ob nicht eine solchea Hug-trs noch erfreulicher sei. Und so war das schlimmste an Schlegelsschlechtem Roman schließlich doch das, daß er wahr war, nichts