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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die Romantik.

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zwanzig Jahre zuvor gethan, und der der Gedanke der Natur-beseelung und Einfühlung erstmals in seiner Wichtigkeit sür dieErkenntnis des Schönen aufging. Wiederum ist es Novalis , beidem es in denLehrlingen zu Sais" heißt:So wird auch keinerdie Natnr begreisen, der kein Naturorgan, kein inneres natur-erzeugendes und absonderndes Werkzeug hat, der nicht, wie vonselbst, überall die Natur au allem erkennt und unterscheidet undmit angeborener Zeugungslust, in inniger mannigfaltiger Verwandt-schaft mit allen Körperu, durch das Medium der Empfinduug, sichmit allen NatnrweseU vermischt, sich gleichsam iu sie hineinfühlt."Den Dichtern aber rühmt er diese Eigenschaft nach, darumbleibe ihnen allein die Seele der Natur nicht fremd; für sie habedie Natur alle Abwechslungen eines unendlichen Gemüts; und wennauch im einzelnen in ihr ein bewußtloser, nichts bedeutenderMechanismus allein zu herrschen scheine, so sehe doch das tieferblickende Auge eine wunderbare Sympathie mit dem menschlichenHerzen im Zusammentreffen und in der Folge der einzelnen Zu-fälligkeiten. Damit hing aufs engste jene neuerwachte Frende ander Natur zusammen, der sie eine wahrhaft religiöse, dnrch unddurch pautheistische Verehrung widmeten ; damit auch das Stimmungs-mäßige ihrer Poesie, die immer sublimer und unfaßbarer uur wieMelodien und Lieder ohne Worte die Dinge umschwebt und in einTönen und Klingen ohne viel Inhalt und Sinn übergeht,Ein-bildungen von Gedichten" mehr als wirkliche Gedichte; nnd endlichauf der andern Seite die Vorliebe für Didaktik und Allegorie,welche jenein Symbolismus zu widersprechen scheint und doch nurciue andere Art von Symbolik ist. Man lese z. B. den Prolog zuTiecks Kaiser Oktavianus erst die Waldbegeisterung des Dichters:

Es brennt der Wald im hellen grünen Feuer,

Und Geister in den Zweigen sich entzünden.

Da regt die Poesie sich im Gemüte,

Es greift der Dichter nach der goldnen Leyer,

Er will sein volles Herz der Welt verkünden;uud gleich daraus die frostige Allegorie von der Romanze:

Glaube heißt mein edler Vater

Und die Mutter ist die Liebe,

Die den Glauben nahm zum Gatten,

Beide haben mich erzeuget.