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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
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1800 bis 1830: Schilling und Hegcl.

entwickelte dynamische Auffassung der Materie interessieren uns hierauch uicht. Ein anderes ist wichtiger. Jene immanente Metaphysik istzugleich Phänomenalistisch. Das war die Kopernikusthat Kants :wie Kopernikus den Zuschauer mit der Erde sich um die Sonuedreheu nnd dagegen diese in Ruhe ließ, so macht Kaut, um dieMöglichkeit einer solchenreinen" Naturwissenschnft zu erweisen,die Annahme, daß die Gegenstände sich nach uns, nicht unsereErkenntnis sich nach den Gegenständen richte; denn die Natur istnicht fertig gegeben, sondern gegeben ist uns nur der Stoff inunseren Empfiuduugeu, Ordnung nnd Zusammenhang dagegen wirderst in uns nnd unserem verbindenden Geiste durch die Formen unsererAnschnuuug und die Kategorien uuseres Perstandes in uuser Weltbildhereingebracht. So muß die Natur in ihrer Bestimmtheit vou uus uudunserer Forschung im einzelnen wie im ganzen erst geschaffen oderrichtiger schöpferisch entdeckt werden. Das ist die Bedeutung desSatzes, daß der Verstand der Urheber der Natur sei. Bei Kautwar das nicht genial-romantisch, sondern streng naturgesetzlich ge-meint; sein Verstand war einNaturverstand", uud die Natur alsGegenstand der Erkenntnis ging ihm auf iu synthetischen Grund-sätzen nnd Gesetzen a priori. Aber möglich war das nur, weilund wenn die Natur selbst ein Subjektives, die Welt der Er-scheiuuugeu, nicht eine Welt von Dingen an sich war; nur dannließen sich jene Formen nnd Gesetze auf sie antuenden nnd mitRecht anwenden; die Naturgegenstände mußten subjektiviert werdeil,damit das Bewußtsein objektiviert werden, sein Thun, das einVerknüpfen ist, allgemeingültig und notwendig sein könne. Daßdie Gesetze unseres Bewußtseins aus deu Inhalt desselben An-wendung finden, ihu ordnen und gestalten, ihn erst zu dem machen,was er ist, verstand sich so von selbst. Der Idealismus oderPhänomenaliSmus Kants ist eine notwendige Konsequenz seinesDenkens, nicht Mittelpunkt und nicht AuSgaugSpuukt desselbeu.

In dieser Welt der Erscheinuugeu gilt uuu das KausalitätS-gcsetz uueingcschränkt, nicht einmal das menschliche Handeln istdavon ausgenommen. Aber ist diese Erscheinungswelt die einzige?Das war sür Kaut eiu uuerträglicher Gedanke, und ein Faktum gab eS,daS dagegen lautesten Protest zu erheben schieu, daS Sittengesetz uud die