Von Kant zu Schilling,
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ganze Welt des Sittlicheil. Aber auch die Vernunft selbst strebt überjene Erscheinungswelt, in der immer daS eine bedingt ist durch daSandere, hiuaus zu einem Unbedingten und Unendlichen, Und so thut auchKaut den kühnen Schritt ins Transcendente, hinüber in eine intelligibleWelt. Was ihn jedoch von der AllfkläriingSmetaphysik unterscheidet,das ist die klare Einsicht, daß es eine demonstrierbare Erkenntnis vondieser jenseitigen Welt nicht gebe, sie läßt sich nicht beweisen, folg-lich läßt sie sich nur glaubeil: Freiheit, Gott und Unsterblichkeitsind praktische Postulate, dem Willen zugänglich, nicht dem Denken.Zweierlei liegt hierin. Einmal die Anbahnung eines ganz neuenVerhältnisses zwischen Glauben und Wissen, der Versuch für jeuesPlatz zu schaffen, ohne doch dieses zu beeinträchtigen uud zu be-schränken, jedem blieb eine Welt, seine Welt unverkümmert undganz. Das andere aber ist die Überwindung des Rationalismusdurch die Anerkennung eines irrationalen Restes, der dem Denkenuuzugäuglich und undnrchdringlich ist und sich dem Menschen nurin seinem sittlichen Wesen, damit aber als das Höhere und Höchsteoffenbart. Dies ist die Bedeutuug seiner Lehre vom Primat desWillens; damit ist die Linie von Kant über Schopenhauer zu demmodernen Voluntarismus vorgezeichnet.
Glauben und Wissen, Wollen und Denken, intelligible lindErscheinnngswelt — haben wir mit diesen Gegensätzen nicht dochnur den alten Dualismus wieder? Es ist wahr, Kauts Denken istdualistisch, daS hängt mit den pietistischen Jugendeindrücken zu-sammen, die ihn den Gegensatz von Stoff und Form, von Sinn-lichkeit und Verstand, von Neigung und Pslicht nie haben über-winden lassen; daher der mönchische Rigorismus seiner Moral, dernicht lliir die Romantiker, sondern auch schon Schiller abstieß.Aber versucht hat er es wenigstens, diesen Dualismus zu über-winden und diese Gegensätze zu überbrückeil, und dazu sollte ihmder Zweckbegrifs helseu. Das ist seltsam. Leibniz hatte gerade inder Teleologie selbst das eine Glied deS Gegensatzes zum Mechanismusgesehen lind deshalb für den Gegensatz dieser beiden Prinzipiennach einer Lösung im Wesen der Monaden gesucht. Für Kantwar vielmehr diese hinter der Erscheinung liegende wirkliche Weltder Dinge an sich, die er sich doch wohl im Sinn der Leibnizschen