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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1800 bis 1S30: Schelling und Hegel,

wort." Einstweilen freilich erschließt sie sich nur dem Dichter, derallein es fühlt, was die Natnr den Menschen sein kann nnd deinallein ihre Seele nicht fremd bleibt.

Ein solcher Dichter aber war Goethe: er hatte den Zauber-schlüssel zum Verständnis der Natur, mit seinen großen tiefen Augen hater ihr tief in die Seele geschaut. Das zeigen jene wunderbaren Aphoris-mendie Natur", von denen jeder eine Offenbarung über sie enthält:Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlichmit uus und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Sie hat keine Sprachenoch Rede, aber sie schafft Zungen und Herzen, durch die sie fühltund spricht. Es ist ein ewiges Leben, Werden lind Bewegen inihr, nnd doch rückt sie nicht weiter. Sie verwandelt sich ewig, undist kein Moment Stillstehen in ihr. Gedacht hat sie und sinntbeständig, aber nicht als ein Mensch, sondern als Natur. Sie hatsich einen eigenen, allumfassenden Sinn vorbehalten, den ihr niemandabmerken kann. Sie ist alles." So blieb er um der Naturwillen Spinoza treu und wollte nichts von Fichte wissen. Nndauch das Historische au ihr giug ihm auf. Im Zusammenhang mitHerdersIdeen zur Geschichte der Menschheit" erkannte er dasunablässige Sichfortbilden, den Entwickelungsgcdankcn in der orga-nischen Welt, den Gesetzen der Umwandlung, der Metamorphoseder Pflauzen und der Tiere forschte er nach und freute sich, alser den Zwischenknochen im Oberkiefer des Menschen entdeckte unddadurch die Stetigkeit der organischen Entwickelung auch zwischenTier und Mensch bestätigt fand. Freilich nahmen ihn die Natur-forscher nicht immer ganz ernst,nirgends wollte man zugeben,daß Wissenschaft und Poesie vereinbar seien". Solchem Unverstandgegenüber redet auch er einmal wie ein Romantiker:man vergaßdaß Wissenschaft sich ans Poesie entwickelt habe; man bedachtenicht, daß nach einem Umschwung von Zeiten beide sich wiederfrenndlich, zu beiderseitigem Vorteil, auf höherer Stelle gar wohlwieder begegnen können"; uud er verweist auf Alexander von Hum-boldt , der ihm zugestanden, daß es der Poesie auch Wohl gelingenkönne, den Schleier der Natur aufzuheben;uud wenn er es zu-gesteht, wer wird es leugnen?" Was Wuuder, daß die Romantiknnn auch hierin von Fichte zu Goethe übergiug, und daß die