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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
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Ein neuer Staat.

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schien ihm der einzige Weg zur Rettung, sie ein- und durchzu-führen wies er dem Staat als Aufgabe zu, und dabei scheute ersich in seinem gewaltthätigen Idealismus nicht, ihm das Recht desZwingens iit weitestem Umfang zuzusprechen; denn es galt dieErziehung allgemein zn machen sür jeden feiner nachgeborenenBürger ohne alle Ausnahme. Dieser neuen Erziehung ist nur dieWelt, die dnrch das Denken erfaßt wird, die wahre und wirkliche,in sie hat sie also ihre Zöglinge einzuführen; der feste und gewisseGeist, die einzige mögliche Grundlage eines wohlcingerichteten Staates,soll in allen erzengt werden. Das Ziel aber wird enthusiastischso beschrieben: dieserzu erzeugende Geist führt die höhere Vater-landsliebe, das Erfassen seines irdischen Lebens als eines ewigennnd des Vaterlandes als des Trägers dieser Ewigkeit und, fallser iu deu Deutschen ausgebaut wird, die Liebe für das deutscheVaterland als einen seiner notwendigsteu Bestandteile unmittelbarin sich selber; und aus dieser Liebe folgt der mutige Vaterlands-verteidiger und der ruhige uud rechtliche Bürger von selbst". Undes wird sogar noch mehr durch sie erreicht wcrdeu, als diesernächste Zweck:der ganze Mensch wird nach allen seinen Teilenvollendet, in sich selbst abgerundet, nach außen zu allen seiueuZwecken in Zeit und Ewigkeit mit vollkommener Tüchtigkeit aus-gestattet".

Wenn aber unsere bisherige Erziehung mechanisch nnd darnmdurchaus verfehlt ist, wie kann da geholfen, an welchen Punkt derwirklichen Welt kaun jenes Neue angeknüpft werden? Daraufantwortet Fichte: an den von Johann Heinrich Pestalvzzi erfun-denen, vorgeschlagenen uud unter dessen Augen schon in glücklicherAusübung befindlichen Unterrichtsgang soll es sich anschließen.Seine Persönlichkeit, die er treffend mit der Luthers vergleicht, giebtihm den erfreulichen Beweis, daß das deutsche Gemüt iu seinerganzen wunderwirkenden Kraft in dem Umkreis der deutschen Zuugeuoch immer walte; seine Absicht ist gut, die freie Geistesthätigkeitdes Zöglings, sein Denken, iu welchem späterhin die Welt seinerLiebe ihm aufgehen soll, anzuregen uud zu bilden; und gut istauch das Mittel, den Zögling in die unmittelbare Anschauung ein-zuführen, seine Geistesthätigkeit zum Entwerfen von Bildern an-