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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Der Liberalismus.

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erfüllt war, und so war auch er noch voll davon nnd war des-halb selber intellektualistisch und lehrhaft. Nur in Württemberg hattesich die Sache so eigentümlich oder soll man lieber sagen: sowiderspruchsvoll? verschoben, daß hier der romantische llhlandliberal war und die Partei der Freiheit nicht ans modernes Ver-nunftrecht, sondern auf altes historisches Volksrecht zurückgriff, das wir wisseu es schon nur leider keingutes" war: so warhier der Liberalismus poetisch, während er sonst prosaisch war undnicht frei von einem Stich ins Philisterhafte. Umgekehrt waren in denübrigen Verfassungsstaaten die Romantiker die Anhänger des Alten,der alteu Ständeversassuug namentlich im Gegensatz zu der konsti-tutionellen Monarchie, und die Vorkämpfer der Privilegien vonFürsten und Adel, während die Liberalen ein Neues wollten imBruch mit dem alten und historisch Gewesenen nnd, besonders starkim Negieren, gerade auch die Vorrechte des Adels grundsätzlich negierten.An dieser Entfremdung zwischen Adel nnd Bürgerlichen, die immermehr zum vollen Gegensatz wurde, hatte übrigens der Adel diegrößte Schuld. In den Kriegsjahren hatte namentlich der preußischeAdel sein Bestes gethan: an Opferwilligkeit war er dem Bürger-ftand durchaus ebenbürtig, teilweise vorangegangen; als Offiziereund Heerführer hatten seine Angehörigen glänzende Proben persön-lichen Mntes nnd militärischen Könnens abgelegt nnd auch dieFührer der Reformbewegung gehörten vielfach dem Adel an, demHerrn von Stein hat sein freiherrliches Bewußtsein auch nach obenhin den Rücken gesteift. Aber kaum war der Friede hergestellt, sozeigten die uugemessenen Ansprüche des Adels im ganzen, daß er wiedie Bourbonen nichts gelernt und nichts vergessen hatte. Die Mediati-sierten von 1803 und 1806 ließen sich in Z 14 der Bundesakteeine Reihe vou Vorrechten zuweisen, die leider heute noch nicht allebeseitigt sind, und der niedere Adel that sich 1815 in dem AdelS-vereinder Kette" kastenmäßig zusammen, widersetzte sich nament-lich in Ostelbien der Durchführung der Bauerneinanzipativn odergestaltete doch deren Folgen vielfach in Fluch statt in Segen fürdie Befreiten. Damals sind die Bauern auf deu Gütern zu arm-seligen nnd abhäugigen Tagelöhnern geworden und sind die Zuständebegründet worden, wie sie nach Göhres drastischer Schilderung