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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1800 bis 1830: Nach den Befreiungskriegen,

noch heute mannigfach ans ostelbischcu Domänen und Rittergütern be-stehen. Und auch politisch eroberte sich der Adel namentlich wiederim Norden eine weit über seine Bedeutung hinausgehende Position,so in Hannover , wo ihm im Allgemeinen Landtag 43 gegen 3Vertreter ans dem Bauernstand zugestanden wurden; und anderswodominierte der Adel beim Zweikammersystem wenigstens in denersten Kammern, Was Wunder, wenn dagegen der Liberalismuseiserte! und was Wunder, wenn er, noch in den Kinderschuhensteckend, im (5'ifer polternd und nicht ohne Übertreibung redete undhistorisch Gewordenes nicht begreifen und anerkennen wollte!

Ganz besonders aber fehlte es dem Liberalismus jener Tagean Originalität und schöpferischer Kraft: der Geist war bei derRomantik, nicht bei ihm; und so mußte er sich für das Neue, daser an die Stelle des zu beseitigenden Alten setzen wollte, nachfremden Mustern umsehen. Dabei geriet er auf die französischeCharte, durch welche die Mächte dem französischen Bolke die Rück-kehr der Bourboucu aeeeptabel gemacht nnd zwischen den Errungen-schaften der Revolution und den Traditionen des avoieri reZiiuseine äußerliche Vermittlung herzustellen gesucht hatten. Dieses fremdeMuster wollten die Liberalen ohne weiteres von dem Boden, auf dem esselbst schon mehr Kunstprodukt als Naturerzeugnis war, auf den ganzandersartigen deutschen Boden herüber verpflanzen. Darin offenbartsich die Nachwirknng des uuhistorischen und gewaltthätigeu Sinnesder Aufklärung, nnd darum war ihre Sache in dem immer histori-scher werdenden neunzehnten Jahrhundert zum voraus weuigaussichtsvoll.

Sein Vorbild holte also der süddeutsche Liberalismus imNorden dachte man wohl eher an England nuS Frankreich , mit demman eben noch im Krieg gewesen war. Auch daran erkennt mandie Nachwirknng deS achtzehnten Jahrhunderts, das weltbürgerlich-kosmopolitisch gewesen war und für das Nationale nnd Volkstüm-liche kein Verständnis nnd kein Herz hatte. Nun würde mannatürlich dein Liberalismus schweres Unrecht thun, wollte man dasso direkt auch vou ihm sagen: er trat ja gerade wie für die PolitischeFreiheit so anch für die nationale Einheit ein. Allein jene standihm doch in erster Linie, wobei er nicht bedachte, daß man erst