Der Liberalismus.
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einen Staat haben muß, ehe man Rechte in demselben fordern nnderwerben kann; nnd weil er doktrinär und unhistorisch war, fehltees ihm doch an Verstäudnis und Herz für die deutsche Eigenartund ein freindbürgcrlicher Zug, eine gewisse Überschätzung desFremden hastete ihm von Anfang an. Ganz anders dachten undfühlten darin die Romantiker und deswegen waren sie dem Libe-ralismus anfangs durchaus überlegen: schon vor der Niederlageund dem Sieg hatten sie die Freude an den Besitztümern desVolkes in Sprache, Lied, Sage, Sitte, Religion und Kuust selberempfunden und in anderen wieder wachgerufen, und jetzt in denZeiten der Not, des Kampfes und des Sieges war ihnen uud mitihnen vor allem der norddeutschen Jugeud Vaterland und Nationzu einem Gegenstand der Freude und Verehrung, zu einer rechtenHerzensangelegenheit geworden, und gerade Frankreich und dasFranzösische betrachteten sie als das speeisisch Feindliche. Auch darinfühlte der Süden anders, weil er in seinem Wesen dem Französischenverwandter war, weniger von Frankreich gelitten hatte als das vonNapoleon mit ausgesuchtem Haß verfolgte Preußen und weil seineJugend in Waffenbrüderschaft mit französischen Truppen Jahrehindurch an deren Sieg und Ruhm teilgenommen hatte. So kamauch von dieser Seite her ein Antagonismus zwischen den fremd-bürgerlichen Liberalismus und die nationale Romantik, der znmTeil auch ein Gegensatz war zwischen Süd und Nord. Anderer--seits lag hier aber auch eiu oppositionelles Element in der Romantikselbst, durch das sie in Konflikt geraten konnte mit den vonMetternich geleiteten oder durch ihn vergewaltigten Regierungen.Die politische Reaktion wollte und durfte nichts wissen vomNationalen uud allgemein Deutschen, darum war ihr auch derromautische Teil der Burschenschaft verdächtig. So kreuzten nndmischten sich hier die Gegensätze doch recht eigentümlich. Immerwieder sei's gesagt: Uhland war Romantiker und war liberal!
Uud auch Josef Görres , der spätere Ultramontane, warRomantiker und war damals noch liberal: am 12. Januar 1818überbrachte er an der Spitze einer Deputation dem ReichskanzlerHnrdenberg die bekannte rheinländische Adresse mit der Bitte umErlassung einer Verfassung und Einlösung des königlichen Ver-