Der Liberalismus.
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Verhaftungen und Einkerkerungen; damals ist auch der französischePhilosoph Cousin, der in Deutschland die Philosophie au derQuelle kennen lernen wollte, sistiert worden. Diese Verhaftungmachte in ganz Europa Aufseheu und führte fast zu interuatioualeuVerwickelungen ob dieser Polizeiwillkür, die hier statt an deutschenStudenten sich auch einmal an einem französischen Professor vergriff.
Während es aber in der Heimat vielfach recht trostlos anssah,schöpfte der deutsche Liberalismus immer wieder Mut und Hoffnungaus dem, was draußen vorging. Denn daß anch jetzt noch, nachder Niederwerfung nnd Bändigung der französischen Revolutionund trotz der heiligen Allianz und des Metternichschen Systems,Volkserhebungen siegen können, das zeigten eben in den zwanzigerJahren allerlei Beispiele in Ost und West. Den stärksten Eindruckmachte ans die deutsche Jugend der Freiheitskampf der Griechenvon den Tagen Alexander Ipsilantis an bis zu dem Einzug derBayern in Athen . Es offenbarte sich darin zugleich auch der Ein-fluß der ueuhumanistischen Bildung. In seinem Roman „Hyperion"hatte der griechenbegeisterte Hölderlin schon das Vorspiel dieseshellenischen Befreiungskriegs, die Kämpfe der Griechen gegen dieTürken im Jahr 1770 verherrlicht, freilich alsbald anch die Ent-täuschung dieses „außerordentlichen Projektes" erlebt, „durch eineRäuberbande sein Elysinm pflanzen" zu Wolleu. Inzwischen wardas Griechische in den deutschen Gymnasien neu belebt und wennanch vielfach in recht unvollkommener Gestalt ein Bildnngselementder deutschen Jugend geworden; ganz anders als heute freuten sichLehrer und Schüler dieses neugewonnenen Besitzes, Homer warihnen lebendig, der Weg zum deutscheu Vaterland ging damalswirklich über Thermopylä und Marathon, und er hat sich noch imJahr 1870 jnst nicht als ein Um- und Holzweg erwiesen.Nnn kämpften die Nachkommen dieser Helden aus den Perser-kriegen — oder was man so dafür hielt — im Vaterland Homers und Platons den Kampf der Christen gegen den Islam, den Kampfder Freiheit gegen den Despotismus, den Kampf der Kultur gegendie Barbarei; wenigstens glaubte man so, selbst 1897 war ja fürviele die Stunde der Enttäuschung und Ernüchterung über diesemodernen Griechen noch nicht gekommen. Es bildeten sich allüberall
Ziegler, die geistigen u. socialen Strömungen des lg. Jahrh. 9