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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1800 bis 1830: Sieg der Hegelschen Rechtsphilosophie,

Und ebenso hat Fichte in seinerGrundlage des Naturrechts" sichauf den Boden dieser Theorie gestellt und einen wahreil embarras6s riekösses von Verträgen zusammengehänst; hat er doch in einerseiner ersten Schriften sogar das Recht der Eltern auf die Kinderdurch eiuen Bertrag mit der Geburtshelferin begründet:hätte sienicht durch Bertrag meinen Eltern versprochen, ihr Recht ans michan sie zurück abzutreten, hätte sie nicht überhaupt laut dieses Ver-trages im Namen meiner Eltern gehandelt, so wären meine Rechtedurch diese erste Ausübung desselben die ihrigen; so aber sind siemeinen Eltern". Praktisch aber hielt man diese Lehre deshalb fürso wichtig, weil man von dein Staatsbürgervertrag die Möglichkeiteiner Verfassungsänderung durch daS Volk, sei es auf dem Wegeder Reform oder der Revolution, abhängig dachte.

In Einem schien sich freilich Kant, und ihm nach Fichte, vonder älteren Vertragstheorie wesentlich zu unterscheiden, in der Fragenach dem Zweck des Staates. Die Ausklärnng hatte auch hierineudämonistisch gedacht und dein Staat die Aufgabe zugewiesen, dieGlückseligkeit aller und das Wohl jedes Einzelnen in irgend einerForm zn schassen und zu förderu. Kant war auch hier wie iu der Moralrigoristisch, nicht endämonistisch; deshalb schloß er die Glückseligkeit vomZweck des Staates aus und faßte diesen als Verwirklichnng der Ge-rechtigkeit, sein Staat war ein Rechtsstaat. Fragt man aber weiter,warnm denn durch den Staat das Provisorische Recht in einperemptorisches, der rechtlose Naturzustand iu einen Rechtszustandverwandelt uud übergeführt werden soll, so kommt man doch wiederauf deu abgewiesenen Zweck des Schutzes von Leben und Eigentum,also auf die privaten Interessen aller Einzelnen zurück. Und wennKant das Rechtsgesetz formuliert:handle so, daß die Ausübungdeiuer Willkür die der andern nicht beeinträchtigt", so kommt erauch von dieser Seite her über die Subjektivität und den Jndivi-dnaliSmns nicht hiuaus. Die Meinung war freilich die, der Staatsolle im Recht das Vernuustgesetz, die volont6 A6n6ru1o verwirk-lichen; aber thatsächlich handelte es sich auch bei Kant um dieAngemessenheit der Handlung an die empirische Allgemeinheit, anden Willen aller und an die Willkür jedes Einzelnen.

Während aber schon Fichte, der sich zunächst ganz an Kant