Die Lehre vom Vertrag.
137
anschloß, über diesen hinausging und seiuem geschlossenen Haudels-staat erst eine Reihe der wichtigsten socialen Aufgaben zuwies, dauuin der Not der Zeit die nationale Basis und Kraft des Staatesverstehen lernte nnd ihn durch die Forderung einer National-erziehung als Kulturträger und Kulturbringer anerkannte, ging dieVertragstheorie in das Bewußtsein der Bourgeoisie und desLiberalismus in ihrer alten Form über. Die philosophische Be-gründung und die feineren Unterscheidungen in der Lehre vonBasis und Zweck des Staates wurden beiseite gelassen nnd ihreeinzelnen Gedanken ohne weiteres für Parteizwecke srnchtbar gemacht.Das Naturrecht gab Handhabe und Maßstab zn liberaler Kritikam Bestehenden und an den Maßnahmen der Regierung, der Ver-trag begründete den Glauben an die Souverünetät des Volkes undrechtfertigte die Forderung einer Mitwirkung desselben bei der Ge-setzgebuug, und der Rechtsstaat hatte in erster Linie die Rechte desVolkes zu schützen und die Gleichheit aller vor dem Gesetz durchzuführen.
Diese Anschauuug, die sich auf Kant berufen konnte, wenn sieauch seine tiefsten Gedanken nicht verstand, wnrde nun also nachden Befreiungskriegen vom Liberalismus wieder hervorgeholt. Inweitereu Kreisen verschaffte ihr vor allem der Badener NotteckAufnahme nnd Anerkennung, dessen 1813 begonnene „AllgemeineGeschichte" das Recht des Liberalismus allen verständlich durch dieganze Weltgeschichte hindurch als siegreich zu erweisen suchte und dessengemeinsam mit Welcker insLeben gerufenes „Staatslexikon" immer aufsneue den Gedanken variierte, daß der Staat auf Vertrag gegründetund der Wille der Majorität das einzig Ausschlaggebende sei.Und wenn der Schwabe Uhland sang:
Vertrag! es ging auch hier zu LandeVou ihm der Rechte Satzung aus,Es knüpfen seine heil'gen BandeDen Volksstamm an das Fürstenhaus.Ob einer im Palast geboren,In Fürsteuwiege sei gewiegt,Als Herrscher wird ihm erst geschworen,Wenn der Vertrag besiegelt liegt,
so erhielt die Theorie dadurch auch noch die dichterische Weihe.Diese Männer haben dem Liberalismus seine leicht faßlichen, aber